Nur ein kleiner Sommerflirt
wie ich zum Moschaw zurückkomme, würde ich sofort loslaufen, ohne mich noch einmal umzudrehen. Aber ich habe keinen Schimmer, wo es langgeht, also setze ich mich wieder hin, mache mich so klein wie möglich und hoffe, der Sand tut sich unter mir auf, damit ich im Boden versinken kann.
Moron steht auf. »Hm, ich denke, ich sollte auch ein paar Worte sagen. Vielen Dank für die tolle Party, die Geschenke und die Ratschläge. Eure Freundschaft bedeutet mir viel. Ich weiß, dass ihr mich jetzt eigentlich in den See Genezareth schmeißen solltet, wie es Brauch ist, aber wagt es ja nicht! Das ist mein Rat an euch .«
»Du musst nass werden«, meint Avi trocken und deutet zum Wasser.
Doo-Doo und O’dead eilen Avi zu Hilfe, der Moron schon den Strand entlangjagt.
Ich zucke zusammen, als sie ihn packen und mit einem lauten Platschen ins Wasser befördern. Moron ist klatschnass, aber nicht sauer. Wäre ich schon, wenn meine Freunde das mit mir machen würden, in voller Montur in einen See. Doch er lacht einfach mit ihnen.
Als Ofra ihm heraushelfen will, packt er sie am Arm und zieht sie zu sich herein.
Snotty geht auch zu den anderen. Ich beobachte, wie sie ihre Arme um Avi schlingt und ihn mit sich ins Wasser reißt.
Hal- lo? Wissen die nicht, dass man eigentlich mit Badesachen schwimmt und nicht in voller Montur? Natürlich bin ich keine Sekunde eifersüchtig, dass sie im Wasser lachen und Spaß haben, während ich alleine hier herumhocke. Ich bin absolut zufrieden damit, so wie es ist.
»Amy, komm rein!«, ruft Moron mir zu.
»Ja«, schreit Ofra. »Das Wasser ist toll.«
Ich bin eine Landratte – mit Wasser hab ic h’s nicht so. »Nein, danke«, sage ich.
Als Erste kommt meine Cousine aus dem Wasser. Sie stellt sich direkt ans Lagerfeuer, um sich aufzuwärmen. Erst weiche ich ihrem Blick aus, weil ich Angst habe, dass mein loses Mundwerk mich in Schwierigkeiten bringt.
Aber vielleicht sollte ich versuchen, sie besser kennenzulernen, wie Ron es vorgeschlagen hat. Obwohl sie blöd zu mir war. Kann ja sein, dass sie einfach noch nicht gemerkt hat, dass ich total supernett bin. Wahrscheinlich habe ich ihr kaum eine Chance gegeben. Ich werde erst mal versuchen, sie ein bisschen zu besänftigen. »Osnat, ich fand es echt schön mit deinen Freunden heute Abend«, sage ich und denke daran, wie Ron mir ihren Namen buchstabiert hat.
Ich finde, ich hätte eine Medaille verdient für meinen Großmut und meine Freundlichkeit. Wahrscheinlich wird sie jetzt gleich sagen, wie froh sie ist, dass ich den ersten Schritt gemacht habe, und wer weiß, vielleicht wird sie am Ende des Sommers für mich wie die Schwester sein, die ich nie hatte.
Meine abwegigen Gedankenspiele finden ein abruptes Ende, als sie ihre Mähne herumwirft, sich zu mir dreht und mich anfunkelt. »Vergiss nicht, Amy: Das sind meine Freunde, nicht deine.«
Und so wird aus ihr eben wieder Snotty.
10
Manchmal muss man vorgeben, stark zu sein – auch wenn man es gar nicht ist.
Ich bin jetzt seit drei Wochen in Israel.
Zum Glück gelingt es mir ganz gut, Snotty und Avi aus dem Weg zu gehen. Das bedeutet, dass ich viel Zeit im Haus mit Safta verbringe, was für mich total okay ist.
Sie erzählt mir Geschichten aus ihrer Kindheit in Israel und von meinem Großvater, der gestorben ist, bevor ich auf die Welt kam. Sie hat mir auch von ihren Eltern erzählt, die im Zweiten Weltkrieg aus Deutschland geflohen sind. Etwas über meine Vorfahren zu erfahren, hat mir die Augen für eine andere Welt geöffnet.
Als ich eines Morgens von Rons beschwingtem »Raus aus den Federn, du Schlafmütze!« erwache, würde ich mich am liebsten einfach umdrehen und weiterschlafen.
Wie spät ist es überhaupt?
MEs Weckruf brummt mir durch den Schädel wie eine dieser Bienen, die mich verfolgt haben. Ich werfe einen Blick auf die Uhr.
»Halb sieben!«, knurre ich mit verschlafener Stimme. »Ich hoffe, du hast einen guten Grund, mich zu wecken, noch ehe die Sonne durch dieses Fenster hereinscheint.«
Ich weiß selber, dass ich mürrisch bin, aber ich bin nun mal kein Frühaufsteher. War ich nie und werde ich auch nie. Meiner Meinung nach ist halb sieben noch nicht mal Morgen, es ist mitten in der Nacht.
»Amy, wir sind jetzt schon eine ganze Weile hier und ich habe dich dein Ding machen lassen. Aber wenn du immer den halben Tag verschläfst, wirst du deinen Jetlag nie überwinden. Außerdem gibt es hier jede Menge Arbeit und jeder muss mit anpacken. Ich möchte, dass du dich
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