Nur ein Kuss von dir
ansehen musste. Mein Herz raste, und das Blut hämmerte in meinen Schläfen. Als ich nach ein paar Sekunden wieder hinsah, war er fort.
7. Verfolgung
Die Nacht verbrachte ich damit, in meinem Zimmer herumzutigern und mir Sorgen darüber zu machen, wie meine Worte wohl auf Callum wirkten. Es war gemein, so mit ihm zu reden, wo er doch ständig diesem Elend ausgesetzt war, und mir war klar, dass ich nicht so hätte ausrasten dürfen. Aber manchmal machte er es mir ziemlich schwer. Ich versuchte, nicht darüber nachzudenken, wie viel von meiner Laune auf mein schlechtes Gewissen zurückzuführen war.
Es muss schon nach drei Uhr gewesen sein, als ich endlich ins Bett stolperte und in einen unruhigen Schlaf fiel. Als ich aufwachte, griff ich automatisch nach meinem Taschenspiegel und wartete auf das vertraute Prickeln in meinem Handgelenk. Ich würde nicht diejenige sein, die zuerst rief, aber ich brauchte nicht lange zu warten.
»Guten Morgen«, sagte ich vorsichtig.
Callum seufzte schwer und blickte schließlich auf. Er hatte dunkle Ringe unter den Augen. »Entschuldige bitte. Ich habe mich wie ein kompletter Idiot benommen. Es war nur alles ein bisschen schockierend für mich.«
Ich streckte die Hand aus, überprüfte im Spiegel genau, wo er war, und berührte sanft seinen Mund – ungeheuer erleichtert, dass er wieder da war. »Das sind die einzigen Lippen, die ich küssen möchte, und ich möchte sie so bald wie möglich richtig küssen. Kann ich später zur Kuppel kommen? Dort können wir genauso gut wie sonstwo unsere Pläne machen und dann loslegen.«
Er lächelte mich etwas schief an, doch das Lächeln erreichte nicht ganz seine dunkel umrandeten Augen. »Ich muss sehen, was ich da machen kann.«
»Wenn du es hinkriegst, dass die Goldene Galerie geschlossen ist, dann lasse ich bei dir keinen Zweifel mehr daran aufkommen, wen ich liebe. Das verspreche ich.« Ich streichelte sein Gesicht und spürte das Wispern von etwas Unwirklichem.
Ohne ein weiteres Wort kam Callum näher, und im Spiegel sah ich, dass er seinen Arm fest um mich gelegt hatte. Wie immer konnte ich ihn nur ganz schwach spüren. »Lass uns nicht streiten«, sagte ich weich und lehnte mich an ihn. »Das Leben ist schon kompliziert genug, wir müssen es nicht noch schwieriger machen.«
»Das stimmt.« Ich spürte seinen Mund an meinem Haar. »Es tut mir leid, wirklich.«
»Mir auch.« Ich lächelte ihn an, als ich mich in seine Arme schmiegte, das Herz voller Verlangen und Hoffnung.
Stunden waren vergangen. Wir wollten uns in St. Paul’s treffen.
Die Kuppel dort war der einzige Ort, an dem Callum wirklich erscheinen konnte, und dann auch nur für mich. Bisher hatte er dafür sorgen können, dass die Galerie bei jedem meiner Besuche wegen Renovierung geschlossen war, indem er den Verantwortlichen in seinen Träumen beeinflusste. Doch jetzt, an einem Vormittag, hatte ich keine große Hoffnung.
Nachdem Callum gegangen war, fiel mein Blick auf das gefaltete Papier auf meinem Schreibtisch. Wer schickte mir nur solche seltsamen Botschaften? Es gab nur eine Möglichkeit, das herauszufinden. Ich griff nach meinem Telefon und tippte die Nummer ein. Dann schloss ich sorgfältig die Tür, ehe ich die Ruftaste drückte. Es klingelte einmal, bevor die Mailbox ansprang.
»Sie sind verbunden mit dem Apparat von Reverend Waters. Leider kann ich Ihren Anruf im Moment nicht entgegennehmen. Bitte hinterlassen Sie eine Nachricht nach dem Signalton. Ich rufe zurück.«
Sofort unterbrach ich die Verbindung und ließ das Handy auf den Futon fallen, als würde es glühen. Wieder sie! Was zum Teufel wollte sie denn von mir?
Reverend Waters arbeitete in St. Paul’s, und sie hatte nach meinem schrecklichen Besuch oben auf der Kuppel mit mir gesprochen, als Catherine mein Amulett hatte. Mir war es damals sehr schlecht gegangen. Sie hatte versucht, mir zu helfen, doch zu der Zeit war ich nicht bereit, einer Fremden die Sache mit Callum zu erklären. Bei anderen Besuchen in der Kathedrale hatte ich sie wiedergesehen, vermied es aber jedes Mal, mit ihr zu reden.
Woher wusste sie, wo ich wohnte? Und was in aller Welt wollte sie von mir?
Auf dem Weg in die Londoner Innenstadt kreisten meine Gedanken so lange um diese Frage, bis ich auf die einzig mögliche Antwort kam: Sie hatte gesehen, wie ich die Schilder missachtet hatte, die
Geschlossen
verkündeten, und ich würde wegen unerlaubten Betretens Probleme bekommen.
Ich konnte es nicht zulassen,
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