Nur ein Kuss von dir
Callum auch, aber ich kann es absolut nicht sagen. Ich weiß, dass sie weiß, wie alle Versunkenen gerettet werden könnten, denn sie hat mir erzählt, sie hätte alles aufgeschrieben, und was auch immer Olivia ihr gestohlen hätte, wäre unwichtig. Aber wenn das alles ist, warum hasst sie mich dann so sehr? Was habe ich damit zu tun? Was könnte ich ihr getan haben, um diesen Hass hervorzurufen?«
Wir schwiegen beide, weil es darauf keine Antwort gab. Catherines Hass auf mich war gewaltig. Ich musste an die schrecklichen Dinge denken, mit denen sie mir das Leben schwergemacht hatte, nachdem sie rübergekommen war: bösartige E-Mails, mein ganzes Geld stehlen, mich mit einem Golfschläger angreifen und schließlich das Amulett rauben, damit sie und Rob es verkaufen und alle Versunkenen bloßstellen konnten. Es war eine richtige Terrorkampagne, und ich war unglaublich erleichtert gewesen, als sie endlich aus meinem Leben verschwand.
Je näher wir Polzeath kamen, desto unwahrscheinlicher kam es mir vor, dass sie mir helfen würde, selbst wenn wir sie fanden. Vielleicht war es ja reine Zeitverschwendung, dass ich Grace den weiten Weg hierhergeschleppt hatte. Die ganze Sache war verrückt.
Ohne etwas wahrzunehmen, blickte ich aus dem Fenster, während die schöne Landschaft Cornwalls vorbeizog, und wünschte, dass Catherine nicht meine einzige Hoffnung wäre. Doch wenn es eine Chance gab, egal wie klein, alle Versunkenen zu retten, dann musste ich sie ergreifen.
Es dämmerte schon, als wir die kleine Landstraße entlangfuhren, die nach Polzeath führte, und die Vögel flogen niedrig über die Heckenlandschaft. Schon seit einer Ewigkeit hatten wir nicht mehr viel an Zivilisation gesehen.
»Hier ist ja nicht gerade der Bär los«, meinte Grace, während sie nach großen Fahrzeugen Ausschau hielt, die uns auf der falschen Straßenseite entgegenkamen, was die in Cornwall übliche Fahrweise zu sein schien. »Mal im Ernst, bei so viel Platz könnten sie die Straße auch gerade bauen.«
»Ich bin mir ziemlich sicher, dass das nicht so einfach geht.« Ich versuchte zu lachen. »Wahrscheinlich haben die Bauern was dagegen.«
»Ich glaube nicht, dass ich jemals ein Mädel vom Land werden kann.« Sie seufzte. »Ich wette, hier draußen kriegt man nicht mal eine ordentliche Tasse Kaffee.«
»Es soll hier angeblich total angesagt sein, mit vielen Surfläden und attraktiven Kerlen in Neoprenanzügen.«
»Na, anschauen schadet ja nichts. Aber ich wette immer noch, dass ich meinen dünnen Moccachino hier nicht bekomme.«
»Du wirst dich umgucken«, murmelte ich. »Denk dran, auch Rob kommt hierher.«
Schließlich wurden wir vom Navi in eine kleine Wohnstraße gelotst, und ich konnte spüren, wie mein Herz klopfte. Ich versuchte, ruhig zu bleiben, und spähte nach den Hausnummern. Endlich sah ich sie.
»Da – Nummer siebzehn«, versuchte ich zu sagen, aber meine Stimme versagte. Ich hustete und versuchte es wieder, doch Grace hatte es auch gesehen und hielt ein paar Türen weiter.
»Hm, es brennt kein Licht. Hoffen wir, dass sie irgendwo hinten im Haus ist.« Sie drehte sich zu mir. »Bereit?«
Ich schluckte. »Bereit«, bestätigte ich sehr unsicher.
»Soll ich mit dir zur Tür kommen?«
»Nein, ich glaube, es ist besser, ich verhandle alleine mit ihr, zunächst jedenfalls. Behalte du uns mit etwas Abstand im Auge.«
»Sicher? Immerhin wissen wir, dass sie eine ziemlich gewalttätige Seite hat.«
»Klar, aber ich denke, es ist besser, ich trete ihr erst mal alleine gegenüber, im Ernst.«
»Na gut«, gab Grace zweifelnd nach. »Aber ich beobachte das.«
Ich stieg aus dem Wagen und blickte die Straße entlang. Es war eine Wohnstraße mit einer Reihe von nahezu identischen kleinen Landhäusern. Einige waren offensichtlich ständig bewohnt und hatten schöne gepflegte Gärten, andere waren deutlich Ferienhäuser mit dem verräterischen pflegeleichten Kies und unauffälliger Ausstattung. Es war ein warmer Sommerabend, und offenbar fanden einige Grillpartys statt. Der Geruch ließ mir sofort das Wasser im Mund zusammenlaufen, obwohl ich keinen Bissen runterbekommen hätte. Musikfetzen wehten aus offenen Fenstern herüber, und immer wieder konnte ich einen Blick in Wohnzimmer werfen, deren Vorhänge nicht vorgezogen waren.
Nummer siebzehn war still und dunkel. Ich ging lieber über den gepflasterten Weg zur Haustür, anstatt den knirschenden Kies zu riskieren. Dann blieb ich stehen, reckte die Schultern und drückte
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