Nur eine Liebe
schloss ich die Augen und genoss die Stille ohne Explosionen und ohne Streit mit Sam.
Das Kratzen von Keramik auf Stein riss mich aus meinem Frieden. Sam goss sich an der Theke Kaffee ein, sein Gesicht von Erschöpfung gezeichnet. So, aus dem Augenwinkel betrachtet, hätte er ein Fremder sein können. Selbst seine Kleider waren zerknittert.
Als er sich zu mir umdrehte, setzte ich einen finsteren Blick auf.
»Möchtest du schauen, ob wir mit den Überlebenden im Krankenhaus reden können?« Seine Stimme war heiser vor Schlaflosigkeit. »Ob sie jemanden gesehen haben?«
»Das hatte ich ohnehin vor.« Ich stürzte den Rest Kaffee herunter und stand auf. »Bist du fertig?«
»Ich schätze schon.« Er fuhr sich mit den Fingern durchs Haar – es brachte nicht viel – und trank seinen Kaffee aus.
Als wir für das kalte Wetter angezogen waren, machten wir uns auf den Weg zum Rathaus. Er versuchte, keine Ausreden für den Streit am frühen Morgen zu finden, was gut war. Er redete nicht einmal mit mir. Auch gut. Das gab mir Zeit, mich darauf zu konzentrieren, nicht auf den Brandgeruch zu achten oder auf den Schutt, der überall auf Gerals Grundstück verstreut lag.
Verkohlte Stücke von irgendetwas übersäten die Straße. Sam hob sie auf. Vermutlich, um sie zu einer Recyclingtonne zu bringen. Ich konnte nicht zulassen, dass er sich moralisch überlegen fühlte, daher nahm ich auch welche.
Wir warfen alles in die entsprechenden Tonnen, als wir die Südallee erreichten, dann wandten wir uns nach Norden, wo unübersehbar der Tempel aufragte. Weiß vor grauem Himmel, obwohl es jetzt dort oben nicht mehr nur Rauch war. Wolken verdichteten sich und drohten mit Schnee oder Hagel.
Ich zitterte und rückte näher an Sam heran. Er war so nett, so zu tun, als bemerke er es nicht.
»Heute Abend«, sagte ich, damit er dachte, dass ich mich ihm aus Gründen der Geheimhaltung und nicht der Geborgenheit genähert hatte. »Heute Abend werde ich an der Übersetzung der Bücher arbeiten. Cris sagte, er wolle das Papier vorbeibringen, das ich ihm neulich gegeben habe, daher möchte ich das auch holen.« Die Notizen, die ich von Meuric bekommen hatte, steckten sicher in meiner Tasche.
»Okay.« Sam ging weiter.
Wir liefen durch den Krankenhausflügel des Rathauses, bis einer der Ärzte uns sagte, wo Geral und die beiden anderen Überlebenden behandelt wurden. Ich rümpfte die Nase bei dem Geruch von Franzbranntwein und verbranntem Fleisch – einem Gestank, der mir nur allzu vertraut war. Ich hatte die Hände gefaltet und unters Kinn geschoben, bevor es mir bewusst wurde.
Sam berührte mich am Rücken. »Hier entlang.«
Ich zuckte zusammen, folgte ihm jedoch in einen Empfangsbereich mit Wänden aus Bahnen weißer synthetischer Seide, die von Stahlregalen gehalten wurden; die Wände schienen von all dem Licht zu glühen. Die Leute am Empfang schauten bei unserem Eintritt auf, dann wandten sie sich wieder ihrer Arbeit zu.
»Sam. Ana.« Sine kam auf uns zu; sie hatte ihr graues Haar zu einem straffen Knoten frisiert, trug einen Arztkittel sowie Handschuhe und hatte die Stirn in tiefe Falten gelegt. »Stimmt etwas nicht?«
»Wir sind gekommen, um Geral und die anderen zu besuchen«, antwortete Sam. »Weißt du etwas darüber, wer die Explosionen verursacht hat?«
»Du meinst wohl, was sie verursacht hat.« Sie sah sich im Raum um; eine junge, schlaksige Frau beobachtete uns, während ein Mann – Merton? – in seinen SAK murmelte und hinter einer Trennwand verschwand. Sine sprach mit normaler Lautstärke. »Es waren nur Gaslecks und verrostete Drähte. Kommt hier herüber.«
Sams Gesicht war versteinert, als er nickte, und wir gingen in einen Flur, der vom Hauptraum abging. Auf einer Seite befanden sich mehrere Räume, die mit Vorhängen abgetrennt waren. Aufwachräume.
Wir gingen den ganzen Weg bis zum Ende des Flurs und betraten den letzten Raum. Er stand leer, genau wie die fünf davor. Sine musste wirklich ungestört sein wollen.
Sie deutete auf die Stühle am Bett. »Setzt euch zu mir, damit ich nicht schreien muss.«
Sam und ich rutschten mit unseren Stühlen an ihren heran.
»Im Moment verbreitet der Rat die Gasgeschichte.« Sie sprach so leise, dass ich die Ohren spitzen musste, um sie zu hören. »Aber ich nehme an, ihr zwei habt bereits herausgefunden, was wirklich passiert ist.«
»Irgendjemand hasst Neuseelen.« Ich wollte mich übergeben.
»Ja.« Sie richtete den Blick auf mich. »Ich kann euch daran
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