Nur Fuer Schokolade
sondern nach Hause.«
»Ja, aber warum haben Sie dann der Polizei etwas ganz anderes erzählt? Ich brauche Sie nicht darauf hinzuweisen, Frau Zeugin, wie wichtig Ihre Aussage für diesen Prozeß ist!«
»Die Polizei hat mir meine Aussage einfach in den Mund gelegt und ich war viel zu aufgeregt, um alles zu verstehen.«
»Frau Zeugin, wir machen jetzt eine zwanzigminütige Verhandlungspause und ich gebe Ihnen den guten Rat, sich Ihre Aussage noch einmal zu überlegen.«
Mit hochrotem Kopf dreht sich Janina C. um, geht auf ihren Vater zu, der unter den Zuhörern sitzt, und verläßt Hand in Hand mit ihm den Saal. Der Staatsanwalt indes verläßt ebenfalls mit schnellen Schritten den Saal und verschwindet in den Gerichtsgängen.
Etwas abseits vom Verhandlungssaal stehen Janina und ihr Vater. Beide werden von den laut diskutierenden Prozeß-beobachtern nicht aus den Augen gelassen.
Dann geht der Prozeß weiter.
»Bitte, Ruhe, ich setze die Verhandlung fort«, ordnet der Richter an und befragt die Zeugin erneut.
»Das Gericht hat noch einmal Ihre Aussage vor der Polizei gelesen und hat doch sehr große Zweifel, ob Sie heute die Wahrheit sagen. Was sagen Sie dazu?«
»Es ist die Wahrheit, was ich vorhin ausgesagt habe.«
»Sie bleiben also bei Ihrer Aussage?« fragt der Richter mit ernster Miene.
»Ja, das bleibe ich«, so die Zeugin selbstsicher.
Der Staatsanwalt bittet das Gericht, der Zeugin einige Fragen stellen zu dürfen.
»Gut, Herr Staatsanwalt, fragen Sie.«
»Frau Zeugin, mit Verwunderung … habe ich vor der Pause Ihre Aussage zur Kenntnis genommen. Ich sage Ihnen ins Gesicht, daß Sie lügen!«
»Herr Staatsanwalt, das geht aber ein wenig zu weit«, unterbricht der Richter, doch er wendet sich unbeeindruckt wieder der Zeugin zu.
»Ich habe die Gerichtspause dazu benutzt, mit den beiden Beamten, die Sie verhört haben, zu sprechen. Sie haben mir beide versichert, daß sie jederzeit unter Eid aussagen würden, wie Ihre Aussagen zustande gekommen seien – nämlich nicht, wie Sie es vortragen. Die Beamten versicherten mir, daß diese Aussagen von Ihnen selbst ohne Einwirkung dritter gemacht wurden. Und«, dabei hebt er wie beschwörend seine rechte Hand.
»…ich sage Ihnen eines: Wenn Sie bei Ihrer Aussage bleiben, werde ich noch in dieser Verhandlung gegen Sie Straf-anzeige wegen vorsätzlicher eidlicher Falschaussage stellen.
Ich warne Sie daher davor, weiter bei Ihren Lügen zu bleiben!«
Auch der Richter scheint sich mittlerweile den Ausführungen des Staatsanwaltes anzuschließen: »Frau Zeugin, Sie haben verstanden, was Ihnen der Staatsanwalt vorgeworfen hat.
und ich muß Sie darauf aufmerksam machen, daß, falls Sie uns hier nicht die Wahrheit sagen, wir die Maßnahmen des Staatsanwaltes unterstützen werden. Daher noch einmal meine Frage: Waren Sie mit Ihrer Freundin Sylwia an diesem Waldrand und haben dort dem Bettler Brote gebracht oder nicht? Überlegen Sie gut.«
»Nein, ich bin an diesem Tag nach der Arbeit sofort nach Hause gegangen und war nicht mit Sylwia am Waldrand.«
»Gut, dann nehme ich diese Aussage zur Kenntnis. Sie können gehen. Sie sind entlassen. Bitte, Frau Protokollführerin, nehmen Sie die Aussage im Protokoll auf. Damit ist die Sitzung für heute beendet.«
Der Staatsanwalt steht auf und schüttelt den Kopf, als die Zeugin Richtung Ausgang an ihm vorbeigeht. Er kann seine Enttäuschung, seine große Wut nicht verheimlichen – die Niederlage spiegelt sich deutlich in seinem Gesicht wieder.
Noch am selben Tag arbeitet der Staatsanwalt eine Anklageschrift gegen Janina aus. Er weiß, er hat nur wenig Zeit, will er die Zeugin als Angeklagte vor Gericht bringen.
Bereits am darauffolgenden Tag meldet er sich beim zu-ständigen Richter an und legt seine Unterlagen vor. Sicherlich hat es noch nie zuvor ein Staatsanwalt in Polen zustande gebracht, einen Gerichtstermin innerhalb weniger Tage nach Einreichung der Anklageschrift zu erhalten.
Überraschend erhält Janina deshalb auch für den 8. November 1996 eine Ladung des Gerichts, vor das sie wegen eidlicher Falschaussage zitiert wird.
Die nächsten Tage verlaufen zunächst ergebnislos für die Staatsanwaltschaft. Kein Zeuge ist bereit, mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auszusagen, Leszek Pekalski in der Nähe eines Tatortes gesehen zu haben.
Noch einmal wird der Gerichtspsychologe Dr. Jozef G. in den Zeugenstand gerufen. Seine Ausführungen:
»Leszek Pekalski geht es offensichtlich um eine totale
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