Nur noch diese Nacht
Kette. „Kirschen. Die mag ich am liebsten.“
Erst jetzt betrachtete sie ihn genauer. Offenes weißes Sporthemd. Dunkle Jeans. Keine Schuhe. Claire mochte auch am liebsten, was sie da sah.
Er nahm ihre Hand in seine und streichelte sie. „Was meinst du? Gehen wir gemeinsam arbeiten?“
„Na gut.“ Wie sollte sie Ryan widerstehen?
Als Ryan mit Claire die Galerie betrat, war es, als würde sie von einer anderen Welt in Beschlag genommen. Sie entfernte sich von ihm nicht nur körperlich, sondern auch innerlich auf eine Weise, mit der er nicht gerechnet hatte.
Aber hätte er nicht darauf gefasst sein müssen, dass sie hier auf Abstand gehen würde? Niemand wusste, dass sie verheiratet waren. Wenn sie ausgingen, waren sie überall sehr vorsichtig gewesen.
Und eigentlich war er ja auch neugierig auf Claires Leben in New York, wollte an Ort und Stelle sehen, was sie ohne ihn aufgebaut hatte.
Natürlich durfte er Claire in der Öffentlichkeit nicht berühren.
In der Galerie galt für Claire wie für die Ausstellungsstücke das Motto: Bewundern erlaubt. Berühren verboten. Also standen sie stets mindestens einen Meter voneinander entfernt. Ständig musste er den Impuls unterdrücken, den Arm um Claire zu legen.
Als sie die Galerie betraten, hatten Kunden und Angestellte ihn neugierig angestarrt, doch Sally hatte sich geschickt eingemischt und die Aufmerksamkeit von ihm abgelenkt, sodass sie im Büro verschwinden konnten. Falls er insgeheim gehofft hatte, Claire in ihrem Allerheiligsten auf dem Schreibtisch oder an der Tür zu nehmen, erlebte er eine Enttäuschung. Claire war nicht nur ein Arbeitstier, sondern ihre Tür stand prinzipiell jedem offen. Daran war nichts zu ändern.
Den größten Teil des Vormittags arbeiteten sie an gegenüberstehenden Schreibtischen. Von Zeit zu Zeit stand Claire auf, um Arbeiten neuer Künstler zu begutachten oder Verhandlungen mit Klienten zu führen.
Natürlich war es eine neue Erfahrung für Ryan, sich ein Büro mit jemandem teilen zu müssen, doch es hatte gut funktioniert.
Am frühen Nachmittag war er reif für eine Pause.
Claire beendete gerade einen Anruf, als Ryan zu ihr herüberkam und sich lässig an die Schreibtischkante lehnte – keineswegs aufdringlich oder zu nahe, aber Claire warf einen nervösen Blick zur Tür und rollte ihren Schreibtischstuhl prompt ein Stück zurück. Ryan war die ganze Zeit unerhört brav gewesen, aber so schnell sollte sie sich dann doch nicht von ihm zurückziehen. Spielerisch griff er nach der Armlehne des Stuhls und rollte Claire wieder zu sich her.
„Meinst du, wir haben genug gearbeitet, um eine Mittagspause zu verdienen?“, fragte er.
Sie ließ den Blick über die Unterlagen auf ihrem Schreibtisch schweifen und überlegte einen Moment. „Bei einem Schnellimbiss?“
„Ich dachte nicht gerade an ein Würstchen im Stehen, falls du das meinst.“ Junkfood wollte er ihr nicht zumuten.
Als Claire zögerte, umfasste er spontan ihr Kinn, gab es jedoch gleich wieder frei. Wenn er nicht aufpasste, würde er den Arm um sie legen und dann weitermachen wollen …
Er musste sich beherrschen.
„Was wäre schon dabei, wenn uns jemand zusammen in einem Restaurant sieht?“, gab er zu bedenken. „Ich könnte doch ein Kunde sein.“
Langsam lehnte Claire sich zurück. „Oder mein Mann. Es wäre nicht so riskant, wenn ich nicht auch Brady heißen würde. Da braucht jemand nur Brady und Brady zusammenzuzählen, neugierig werden, und die Bombe platzt. Ehrlich gesagt, weiß ich nicht genau, wie ich mich verhalten soll. Ich bin einfach noch nicht so weit, persönliche Fragen zu beantworten.“
„Claire!“, ertönte ein begeistertes Stimmchen an der Tür, und ein Junge stürmte ins Büro. „Ich hab dir doch gesagt, dass sie hier ist, Mum!“
„Corbin, erst sollst du doch anklopfen. Bitte entschuldige, Claire“, meinte die Frau, die dem Kleinen folgte.
Ryan schaffte es gerade noch, dem Jungen Platz zu machen, der wie eine Rakete auf Claire zuschoss.
„Hallo, Jane.“ Claire winkte der etwas verlegen wirkenden Mutter zu. „Wie geht’s dir, kleiner Mann?“, fragte sie dann lachend.
„Prima.“ Aufgeregt zog der Junge sich die Jeans zurecht. „Heute Vormittag haben wir Star Wars gesehen, und dann hatte ich Schwimmunterricht. Und da du gesagt hast, mein Bild soll Samstag fertig werden, habe ich Mum gesagt, wir müssten unbedingt herkommen.“
Fasziniert beobachtete Ryan, wie Claire mit hochgezogenen Brauen und Kopfnicken dem
Weitere Kostenlose Bücher