Nur wenn du mir vertraust - Crombie, D: Nur wenn du mir vertraust - Now May You Weep
Verfügungen erlebt, aber dass Brodie seine Anteile an der Brennerei Hazel Cavendish vermacht hatte, die behauptete, ihn seit zwölf Jahren nicht mehr gesehen zu haben, hätte er nun wirklich nicht erwartet. Und da der Brennerei auch Benvulin House gehörte, hatte der Anwalt ihnen erklärt, machten die Anteile fast das gesamte Vermögen Brodies aus. Wie würde Mrs. Cavendish diese doch recht fragwürdige Neuerwerbung wohl ihrem Gatten erklären?
Als sie die Einsatzzentrale im Revier von Aviemore betraten, sah Ross, dass ein halbes Dutzend Beamte noch damit beschäftigt war, die Ergebnisse der diversen Ermittlungen und Vernehmungen zu ordnen. Die Luft im Raum war abgestanden, und die Ansammlung leerer Getränkedosen und Chipstüten kontrastierte merkwürdig mit den an die Tafel gehefteten Tatortfotos.
Ein Beamter drückte ihm zur Begrüßung einen Stapel Nachrichten in die Hand. Die drei obersten waren von Inspector James, die um Rückruf bat. »Na, die kann ja wohl noch ein bisschen warten«, dachte er verärgert. Was konnte sie schon von ihm wollen, nachdem ihre Freundin wieder auf freiem Fuß war – außer ihn darüber belehren, wie er seine Ermittlungen zu führen hatte?
Ross setzte sich an den für ihn reservierten Schreibtisch, räumte eine halb ausgetrunkene Teetasse aus dem Weg, die irgendjemand darauf abgestellt hatte, und wischte mit seinem Taschentuch den feuchten Ring weg, den sie hinterlassen hatte.
Munro hatte unterdessen offenbar seine eigenen Überlegungen angestellt. »Könnte es nicht sein, dass Heather Urquhart
annahm
, Brodie hätte ihr seine Anteile vermacht?«, fragte er, während er gegenüber von Ross Platz nahm.
»Dann muss sie aus allen Wolken gefallen sein, als Mr. Glover ihr heute Nachmittag den Inhalt des Testaments mitteilte. Ich halte es für möglich, dass Brodie sie in dem Glauben gelassen hat, sie würde etwas erben, um sie in ihrer Loyalität und ihrem Engagement für die Brennerei zu bestärken.«
»Das Gleiche könnte auch auf den Franzosen zutreffen«, meinte Munro nachdenklich. »Falls er nämlich geglaubt hat, Urquhart würde an sein Unternehmen verkaufen, sobald sie das Sagen hätte.«
»Stimmt. Aber«, wandte Ross ein und klopfte mit dem Finger auf den Stapel von Papieren auf seinem Schreibtisch, »laut Protokoll waren sowohl Urquhart als auch Benoit noch in ihren Zimmern, als die Polizei eintraf. Wie hätte einer von den beiden es anstellen sollen, die Flinte zu entwenden, das Haus zu verlassen, Brodie zu erschießen und wieder ins Haus zurückzukehren, ohne von Mr. oder Mrs. Innes gesehen zu werden?«
Munro strich sich über die Bartstoppeln, die auf seinem Kinn zu sprießen begannen, und sagte: »Ich habe allmählich das Gefühl, in diesem alten Agatha-Christie-Film zu sein, wo sie alle unter einer Decke stecken.«
Ross seufzte. »So was kommt im wirklichen Leben nicht vor – Gott sei Dank. Stellen Sie sich mal vor, sie müssten den Staatsanwalt davon überzeugen.«
»Dann tippe ich noch am ehesten auf die junge Alison Grant«, meinte Munro. »Sie ist ein zähes kleines Luder, und sie hatte ein glasklares Motiv, wenn Sie mich fragen. Ich hatte den Eindruck, dass sie in Brodie ihren Märchenprinzen gefunden zu haben glaubte, der sie dann bitter enttäuscht hat.«
»Wir haben keine Beweise, dass sie sich am Tatort aufgehalten hat, und ich halte es für äußerst unwahrscheinlich, dass sie sich einfach so bei den Innesens eingeschlichen hat, um die Flinte mitgehen zu lassen.«
»Wir wissen nicht mit Sicherheit, ob es wirklich John Innes’ Waffe war«, gab Munro in der Rolle des Advocatus Diaboli zu bedenken.
»Und woher hatte sie dann die Waffe? Eine Schrotflinte gehört ja nicht gerade zu den Dingen, die eine gewöhnliche Verkäuferin einfach so rumliegen hat, zumal, wenn ein Kind im Haus ist.«
»Von einem Freund?«, vermutete Munro. »Da wäre zum Beispiel der Typ, der ihr von Brodie und der anderen Frau erzählt hat – Callum MacGillivray.« Munro stand auf und blätterte in dem Stapel von Protokollen auf Ross’ Schreibtisch. »Da haben wir’s. MacGillivray hat einen Waffenschein für ein Gewehr Kaliber zwölf. Woher wissen wir, dass er nicht noch eine andere Waffe ohne Schein besitzt, genau wie John Innes?«
»Und sie geht einfach hin und sagt: ›Ach, könnte ich mir wohl deine Schrotflinte ausleihen; ich muss nur eben mal jemanden erschießen‹?«, konterte Ross mit routiniertem Sarkasmus.
Munro ließ sich nicht beirren. »Vielleicht stecken sie
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