Nur wenn du mir vertraust - Crombie, D: Nur wenn du mir vertraust - Now May You Weep
dastand, bemerkte sie, dass der Himmel sich verdunkelt hatte. Der Wind war stärker geworden und trieb die Wolken von Westen heran. »Nur kein Regen«, dachte sie frustriert. Regen würde den Tatort gründlich in Mitleidenschaft ziehen und die Chancen, irgendwelche verwertbaren Spuren sicherzustellen, erheblich verringern.
Doch es war ja nicht
ihr
Fall, ermahnte sie sich. Sie war hier außerhalb ihres Zuständigkeitsbereichs, und es war nicht ihre Aufgabe, den Mord an Donald zu untersuchen – jedenfalls nicht offiziell.
Aber sie hatte Donald gemocht, hatte eine überraschende Verbundenheit mit ihm gespürt, und das, obwohl sie sein Verhältnis mit Hazel missbilligt hatte – mit Hazel, die ihn so sehr geliebt hatte, dass sie dafür ihre Ehe aufs Spiel gesetzt hatte.
Und irgendjemand hatte ihn
erschossen
, hatte seinem Leben ein Ende gesetzt und damit auch allen Zukunftsplänen, die Hazel mit ihm gehegt haben mochte – und das praktisch vor Gemmas Augen. Sie würde der Polizei helfen, den Kerl zu finden, der für diese Tat verantwortlich war. Das war sie Donald schuldig – und Hazel.
Sie zermarterte sich das Hirn, während sie ums Haus herum zur Vordertür ging, doch ehe sie ihre Gedanken recht ordnen konnte, bog auch schon ein Auto mit dem unverwechselbaren gelben Streifen der Northern Constabulary in die Einfahrt ein.
Gemma sah eine junge Polizeibeamtin aussteigen. Sie hatte dunkles Haar, sehr blaue Augen und ein kantiges Gesicht, das vielleicht gar nicht so unattraktiv gewesen wäre, wenn sie gelächelt hätte.
Die Frau trat auf Gemma zu und zog mit einer raschen, routinierten Bewegung ihr Notizbuch aus dem Gürtel. »Ma’am. Haben Sie hier einen Todesfall gemeldet?«
»Ja. Es handelt sich um einen der Gäste dieser Pension. Ich habe ihn auf einer Wiese gleich hinter dem Waldstück dort gefunden.« Gemma deutete in Richtung Fluss.
»Und Sie sind…?«
Gemma begann in ihrer Jackentasche nach ihrem Dienstausweis zu kramen. »Gemma James. Detective Inspector bei der Metropolitan Police in London. Ich bin auch Gast hier.«
Falls diese Information die Polizeibeamtin stutzig machte, gelang es ihr jedenfalls sehr gut, ihre Überraschung zu verbergen. Sie zog nur leicht die Augenbrauen hoch, während sie etwas Unverständliches in ihr Funkgerät murmelte, um dann an Gemma gewandt fortzufahren: »Ma’am. Wenn Sie mich dann bitte zu dem Verstorbenen führen würden.«
Der Weg zurück durch den Garten und den Wald kam Gemma wie ein Albtraum vor. Sie hatte das Gefühl, dass ihre Beine im Schlamm feststeckten, und mit jedem Schritt schien die Entfernung größer zu werden. Sie blieb kurz stehen, um ihrer Begleiterin die Stelle mit dem niedergedrückten Farn zu zeigen, und dann noch einmal dort, wo Hazel sich erbrochen hatte.
»Ein anderer Gast hat die Leiche ebenfalls gesehen«, erklärte sie. »Ich konnte sie nicht mehr aufhalten. Sie musste sich hier übergeben, als ich sie zum Haus zurückbrachte.«
Als sie auf der anderen Seite aus dem Wald heraustraten, blieb Gemma stehen. Sie konnte sich einfach nicht überwinden weiterzugehen. »Gleich da drüben.« Mit einem Kopfnicken deutete sie auf die Büschel von Heidekraut, die Donalds Leiche verbargen.
Gemma sah zu, wie die Polizistin weiter den Pfad entlangging, und beobachtete den Moment des Zögerns, als die junge Frau nahe genug gekommen war, um zu erkennen, was sie vor sich hatte. Doch sie ging sogleich weiter, ihr ganzes Gebaren noch geschäftsmäßiger als zuvor, und bückte sich, um die Leiche in Augenschein zu nehmen. Das Gelb ihrer Jacke hob sich gegen den Hintergrund des Heidekrauts ab wie ein leuchtender Ginsterbusch. Sie richtete sich auf und sprach wieder in ihr Funkgerät, bevor sie zu Gemma zurückging.
»Wir sollen hier auf Verstärkung aus Aviemore warten, Ma’am«, sagte sie mit finsterer Miene. Unter dem Make-up war ihre Haut ziemlich blass geworden.
»Wie heißen Sie, Constable?«, fragte Gemma, deren Mitgefühl für den Augenblick ihre persönlichen Sorgen in den Hintergrund drängte.
»Mackenzie, Ma’am.«
»Sind Sie von hier?«
»Aus Carrbridge. Das ist gleich nördlich von Aviemore, an der A9«, fügte Constable Mackenzie hinzu – schon etwas lockerer, wie Gemma gehofft hatte.
»Sie kriegen wohl im Dienst nicht allzu viele Leichen zu sehen«, fragte Gemma behutsam; sie nahm an, dass die junge Frau noch nicht sehr lange mit der Polizeischule fertig sein konnte.
»Die A9 ist ziemlich berüchtigt für Unfälle. Und vor ein paar
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