Nur wenn du mir vertraust - Crombie, D: Nur wenn du mir vertraust - Now May You Weep
Wochen ist ein verwirrter Rentner von zu Hause weggelaufen – der ist erfroren, bevor wir ihn fanden.«
»Einen Mordfall hatten Sie bisher noch nicht zu bearbeiten?«
Die Polizistin wurde plötzlich wieder ganz förmlich. »Wie können Sie so sicher sein, dass es sich um einen Mordfall handelt, Ma’am?«
»Keine Waffe«, antwortete Gemma. »Und außerdem habe ich ihn ein wenig gekannt. Ich kann nicht glauben, dass er sich erschossen haben soll.«
Mackenzie strich sich eine lose Haarsträhne hinters Ohr und schlug erneut ihr Notizbuch auf. »Der Name des Verstorbenen?«
»Donald Brodie.«
Mackenzie starrte sie entgeistert an. »Brodie von Benvulin?« Als Gemma nickte, fuhr die Polizistin fort: »Aber Sie sagten mir doch, er habe in der Pension gewohnt.«
»Das hat er auch. Es handelte sich um einen Wochenend-Kochkurs.« Während Gemma die Einzelheiten erläuterte, wurde ihr die ganze komplizierte Situation mit einem Schlag wieder bewusst. Wo war Hazel an diesem Morgen gewesen, und was sollte sie bloßüber Hazels Verhältnis zu Donald sagen?
Detective Chief Inspector Alun Ross kniete am Rand seines Blumenbeets und setzte Lobelien aus einer Anzuchtschale aus. Aus dem weichen, federnden Rasen unter seinen Knien drang die Feuchtigkeit langsam durch den Stoff seiner alten Gartenhose, doch das kümmerte ihn nicht – im Gegenteil, es gab ihm das Gefühl, mit der Erde verbunden zu sein. Er klopfte den fetten, mit Kompost angereicherten Boden um die zehn Zentimeter hohe Pflanze herum fest und setzte sich auf den Rasen, um sein Werk zu bewundern.
Die winzigen, sternförmigen Blüten der Lobelie hoben sich leuchtend blau von dem Blassrosa der vollen Azaleen dahinter ab, die gerade zu blühen begonnen hatten. Ein Stück weiter zeigte die prächtige weiße Iris schon ihre zarten Knospen.
Es war zwar noch recht früh am Sonntagmorgen, doch die Sonnenstrahlen wärmten seinen Rücken, und ein sanftes Lüftchen kühlte seinen verschwitzten Nacken. Über die Gartenmauer wehte fernes Glockengeläut an seine Ohren, und vor seinem geistigen Auge sah er sein eigenes gepflegtes Reihenhaus mit dem kleinen Vorgarten als Juwel in der Krone der Stadt Inverness, von dem die Straßen in Stufen zur St. Andrew’s Cathedral am Ness Walk abfielen.
Als Kind hatte er dort den Gottesdienst besucht, und er stellte sich vor, wie entsetzt seine Mutter wäre, wenn sie ihn jetzt sehen könnte, wie er den Sonntagvormittag verbummelte. Aber für ihn war
das
hier der Himmel – warum sollte er noch anderswo danach suchen?
Seine Frau war da natürlich anderer Meinung gewesen – oder vielmehr seine Exfrau. Jetzt war sie mit einem Düngemittelvertreter verheiratet, der gern tanzte.
Geschieht dir recht, hatte Ross’ Tochter Amanda gemeint. Er hätte eben öfter mal mit ihrer Mutter ausgehen sollen. Allerdings war ihm seine eigene Tochter bisweilen ein Buch mit sieben Siegeln – und wie hätte er den beiden auch erklären sollen, dass ihm nach einem harten Arbeitstag der Sinn nach allem anderen stand als nach
Ausgehen
?
Was er wollte, war seine eigene kleine Welt, sein Haus und sein Garten – eine Welt, die er beherrschte, der er seine Ordnung auferlegen konnte. Er kam abends nach Hause, und wenn das Wetter einigermaßen war, arbeitete er im Garten – da gab es immer irgendetwas zu tun –; wenn nicht, werkelte er noch ein wenig im Haus herum, bevor er es sich mit seinen Gartenbüchern und Katalogen und einem Gläschen Whisky vor dem Kamin gemütlich machte.
Jetzt störte kein Meckern und Nörgeln mehr seinen geregelten Tagesablauf, und das war ihm durchaus recht. Vor kurzem hatte er seine Exfrau in der Stadt getroffen. Sie hatte ausgesehen wie eine Nutte, mit frisch hochtoupiertem Haar, übertriebenem Make-up und einem zu engen und zu kurzem Rock. Er hatte gute Miene zum bösen Spiel gemacht und sie und ihren bierbäuchigen Gatten mit Halbglatze freundlich begrüßt, aber er war heilfroh gewesen, als er sich endlich von ihnen verabschieden konnte – und wenn er ein Aufflackern des alten Begehrens verspürt hatte, dann hatte er es rasch wieder verdrängt.
Nachdem er die letzte Lobelie in ihr neues Beet verpflanzt hatte, reckte er sich behaglich im Gedanken an seine wohlverdiente Pause. Er würde sich mit dem Wasser, das noch vom Frühstück im Kessel auf dem Herd stand, eine Tasse Tee machen und sich damit in die Gartenlaube setzen, um in aller Ruhe die Sonntagszeitung zu lesen und dem Summen der Bienen im Lavendel zu lauschen.
Doch als
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