Nur wenn du mir vertraust - Crombie, D: Nur wenn du mir vertraust - Now May You Weep
»Komm, wir gehen ins Haus –«
Doch als Gemma die Hand nach ihr ausstreckte, fuhr Hazel zurück. »Nein. Ich glaube es nicht. Donald kann nicht tot sein. Wo ist er? Auf welcher Wiese?«
»Wir müssen jetzt ins Haus gehen, Hazel«, versuchte Gemma ihre Freundin zu überreden, doch ein unwillkürlicher Seitenblick in Richtung des Waldwegs verriet sie. Sie wollte Hazel noch festhalten, doch es war zu spät. Sie wich ihr aus und rannte auf den Waldrand zu.
»Hazel, nein!«, rief Gemma, doch als sie gerade loslaufen wollte, fragte Louise: »Gemma, soll ich einen Krankenwagen rufen?«
»Nein, die Polizei. Und beeilen Sie sich«, antwortete Gemma. Doch die Unterbrechung hatte sie wertvolle Sekunden gekostet.
Hazel wurde von den Bäumen verschluckt, und Gemma, gehemmt durch ihre Angst, wichtige Spuren zu vernichten, gelang es nicht, den Vorsprung zu verringern. Erst als Hazel schon bei Donalds Leiche angelangt war, holte Gemma sie ein.
Hazel stand mit weit aufgerissenen Augen da, die Hand vor den Mund geschlagen, wie um einen Schrei zu unterdrücken. Als Gemma den Arm um sie legte, schien sie die Berührung überhaupt nicht wahrzunehmen.
»Hazel, es ist –«
Schon gut
, hatte Gemma sagen wollen. Aber das war es nicht, und mit einem Mal schienen ihr all die Floskeln, auf die sie gewöhnlich zurückgriff, um die Hinterbliebenen zu trösten, sinnlos und absurd. Nichts war gut. Und es würde auch nicht wieder gut werden.
»Hazel«, setzte sie erneut an. »Wir müssen zum Haus zurückgehen. Die Polizei wird bald hier sein.«
»Aber… Donald… ich darf ihn nicht allein lassen. Ich hätte ihn nicht allein lassen sollen. Gestern Abend. Ich hätte niemals –« Hazel schluchzte krampfhaft auf und begann am ganzen Leib zu zittern.
»Schsch, beruhige dich doch.« Gemma redete beschwichtigend auf Hazel ein, als hätte sie es mit einem kleinen Kind zu tun. »Du kannst nichts mehr tun. Komm jetzt mit mir.«
Hazel wurde von heftigem Weinen geschüttelt und versuchte sich loszureißen, doch es gelang Gemma, sie von Donalds Leiche wegzuzerren und mit ihr in Richtung Haus zu gehen. Als sie den Wald durchquerten, lehnte Hazel sich plötzlich kraftlos an Gemmas Schulter, dann sank sie auf Knie und Hände, krümmte sich zusammen und übergab sich.
Nach wenigen Minuten ließen die Krämpfe nach, und Hazel blickte verwirrt zu Gemma auf.
»Komm jetzt mit«, beruhigte Gemma sie. Sie half Hazel hoch und schob sie sanft weiter. »Wenn wir zum Haus zurückkommen, bitten wir Louise, uns eine schöne Kanne Tee zu kochen«, murmelte sie, obwohl sie genau wusste, wie lächerlich unangemessen das angesichts der entsetzlichen Realität von Donalds Tod klingen musste. Doch sie wusste auch, dass es gar nicht so wichtig war,
was
sie sagte, solange Hazel nur den Klang ihrer Stimme hörte.
Als sie schließlich den Garten erreicht hatten, sah Gemma Louise zusammengesunken auf der Bank neben der Küchentür sitzen, die Ellbogen auf die Knie gestützt.
Der Anblick der beiden schien sie aus ihrer Trance zu reißen; sie sprang auf und lief ihnen entgegen. »Ich habe die Polizei angerufen. Und John.«
»John?«, fragte Gemma. »Ist er denn nicht hier?«
»Nein. Er ist zu einem der Bauernhöfe hier in der Nähe gefahren, um frische Eier fürs Frühstück zu holen. Er ist auf dem Weg hierher.«
Frühstück? Erschrocken warf Gemma einen Blick auf ihre Armbanduhr und sah, dass es erst kurz nach sieben war. »Und die anderen?«
»Soviel ich weiß, schlafen sie noch. Ich wusste nicht – hätte ich sie wecken sollen?«
»Nein. Sie haben genau richtig gehandelt. Also, wenn Sie jetzt mit Hazel ins Haus gehen wollen, warte ich hier auf die Polizei.« Gemma tätschelte Hazels Arm, und Louise legte ihr mit unerwarteter Zärtlichkeit den Arm um die Schultern.
Erst als Gemma Louise nachsah, wie sie Hazel durch die Spülküche ins Haus führte, fiel ihr der Waffenschrank ein. Es hatte mindestens eine Schrotflinte darin gestanden, doch sie hatte nicht so genau hingesehen, weil sie sich nichts weiter dabei gedacht hatte. Würde sie jetzt sagen können, ob ein Gewehr fehlte?
Etwas in ihr sträubte sich dagegen, den Gedanken weiter zu verfolgen. Sie wollte nicht wahrhaben, dass jemand aus diesem Haus – jemand, den oder die sie kannte – den Schuss abgefeuert haben könnte, doch sie wusste sehr wohl, dass es eine Möglichkeit war, die man in Betracht ziehen musste.
Sollte sie sich den Waffenschrank jetzt gleich ansehen? Während sie noch unschlüssig
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