Nur zu deinem Schutz (German Edition)
sie sechzehn war, führte sie die Jugendrangliste des US -amerikanischen Tennis an und war auf dem besten Weg, die nächste Venus oder Billi Jean oder Steffi zu werden, bis etwas passierte, das ihre Karriere für immer beendete:
Sie wurde mit meiner Wenigkeit schwanger.
Die Welt war wohl noch nicht bereit für die Beziehung meiner Eltern, also brannten sie miteinander durch, und niemand wusste, wohin. Alle prophezeiten, dass die Ehe nicht halten würde, aber sie sollten sich irren. Meine Mom und mein Dad erlebten die rührendste Liebesgeschichte aller Zeiten, und je älter ich wurde, desto peinlicher war es mir manchmal, ihre uneingeschränkte Hingabe füreinander so hautnah mitzuerleben. Es war die Art von Liebe, die andere neidisch macht – und die ihnen fast unheimlich ist.
Früher habe ich mir auch gewünscht, eines Tages so lieben zu können und geliebt zu werden. Klar, wer will das nicht? Aber jetzt nicht mehr. Es gibt ein Problem, wenn man sich so bedingungslos liebt und vergöttert, wie meine Eltern das getan haben – nämlich das, was passiert, wenn man den anderen verliert. Eine Liebe wie die ihre macht aus zwei eins – als mein Dad starb, war es, als würde eine Einheit entzweigerissen werden, als würde meine Mom zusammen mit ihm sterben. Beim Begräbnis meines Vaters habe ich mitangesehen, wie sie in sich zusammensank wie eine Marionette, der man die Schnüre abgeschnitten hatte – und ich hatte nichts tun können.
Aus all dem habe ich etwas gelernt: Diese Art von Liebe ist nichts für mich. Der Preis, den man am Ende dafür bezahlen muss, ist zu hoch. Sosehr ich Ashley mochte – so wichtig sie mir war und so gern ich mit ihr zusammen war –, ich würde niemals zulassen, dass sie oder ein anderes Mädchen mir zu nahekam. Vielleicht hatte sie das gespürt. Vielleicht ist sie deswegen einfach weggegangen, ohne mir etwas zu sagen. Vielleicht hätte ich auch genau aus diesem Grund aufhören sollen, nach ihr zu suchen.
Onkel Myron wartete neben seinem Wagen auf uns. Ich spürte, wie meine Anspannung mit jedem Schritt wuchs, den wir auf ihn zugingen. Zu behaupten, die Beziehung zwischen meiner Mutter und Myron sei schwierig, wäre eine krasse Untertreibung gewesen. Eigentlich hassten sie sich. Es war Myron gewesen, der vor sechs Wochen damit gedroht hatte, ihr das Sorgerecht entziehen zu lassen, wenn sie nicht einwilligte, einen Entzug zu machen.
Umso überraschter war ich, als sie ihn zur Begrüßung sanft auf die Wange küsste. »Danke.«
Er nickte stumm.
Meine Mutter ist mir gegenüber immer geradezu brutal ehrlich gewesen. Sie war gerade siebzehn geworden, als sie mit mir schwanger wurde. Mein Vater war neunzehn. Myron war sich sicher, dass sie meinem Vater das Kind – mich – ganz bewusst angehängt hatte. Er machte sie vor meinem Vater schlecht, versuchte, ihm sogar einzureden, dass er möglicherweise noch nicht einmal der Vater sei. Das Ganze gipfelte zuletzt in einem Streit zwischen den beiden Brüdern, der sie für immer entzweite.
Mom hat mir das alles erzählt. Sie hat Myron die Dinge, die er über sie gesagt hat, nie verziehen. Aber als sie ihm jetzt, frisch aus der Entzugsklinik entlassen, gegenüberstand, ließ sie die Vergangenheit ruhen und überraschte ihn und mich. Ein besseres Zeichen konnte es vielleicht gar nicht geben.
Wie versprochen setzte Onkel Myron uns nur zu Hause ab und fuhr dann gleich weiter. »Ich bin im Büro, wenn ihr mich braucht«, sagte er. »Der andere Wagen steht in der Garage, falls ihr irgendwohin fahren wollt.«
»Danke, Myron«, sagte Mom. »Für alles.«
Mein Onkel hatte das Büro im Erdgeschoss in ein Schlafzimmer für meine Mutter umgewandelt. Mein Zimmer befand sich, wie bereits erwähnt, im Keller, und Myron schlief im ersten Stock. Bevor ich bei ihm eingezogen war, hatte er meistens in seiner Zweitwohnung in einem noblen Apartmentgebäude in Manhattan gewohnt. Ich hoffte, dass er diese Gewohnheit jetzt, da meine Mutter hier war, erneut aufnehmen und uns ein bisschen Privatsphäre lassen würde, bis wir wieder auf die Beine gekommen waren und uns etwas Eigenes gesucht hatten.
Mom tänzelte fast in ihr Zimmer. Als sie die auf dem Bett ausgebreiteten Kleidungsstücke sah, drehte sie sich lächelnd zu mir um. »Was ist das?«
»Ach, nur ein paar neue Sachen, die ich dir besorgt habe.«
Es war nicht viel. Zwei Jeans und ein paar Oberteile aus einem Billigkaufhaus, damit sie eine kleine Starthilfe hatte. Sie kam auf mich zu und umarmte mich.
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