Nur zu deinem Schutz (German Edition)
dass sie wirklich Talent hat, aber meine Teamkolleginnen Cathy und Brittany waren anderer Meinung. Na ja, ich muss zugeben, dass ihre Art zu tanzen schon ein bisschen aus der Reihe fiel.«
»Was soll das heißen?«
»Wir machen in unserem Team eher klassisches Cheerleading, das vor allem auf Figuren aus der Tanzgymnastik beruht. Die anderen Bewerberinnen haben die üblichen Sachen gezeigt – ein bisschen Akrobatik, ein paar Tumblings, Pyramiden, was man eben so kennt. Aber Ashley hat richtig getanzt. Wie gesagt, ich fand sie ziemlich gut, sie hätte definitiv das Zeug zum Cheerleader gehabt, aber die anderen Mädchen fanden …«
»Was?«
»Dass sie ein bisschen zu …« Sie verstummte, als würde sie nach den richtigen Worten suchen oder als hätte sie Angst, es auszusprechen. »Na ja, dass sie ein bisschen zu sexy getanzt hat. Dabei war es gar nicht so schlimm, aber meine Teamkolleginnen haben sich total aufgeregt.«
Ich dachte betreten an die Tänzerinnen in der Plan B Go-Go Lounge, erwiderte jedoch nichts darauf.
»Als Ashley fertig war, hat sie auf irgendeine Reaktion gewartet, vielleicht hat sie sogar gehofft, dass geklatscht wird wie zum Teil bei den anderen Mädchen. Aber da kam nichts. Ich hab gemerkt, wie sie immer nervöser wurde. Und dann haben die Mädchen angefangen, sie fertigzumachen. Cathy war richtig fies und hat gefragt, ob sie sich mit der Nummer nicht lieber in einem Stripclub bewerben will. Und über ihre Klamotten und ihre Frisur haben sie auch abgelästert.«
»Wieso? Was gibt es an ihren Klamotten und ihrer Frisur denn auszusetzen?«
»Du bist ein Typ, dir fällt so was nicht auf. Aber als Mädchen hat man sofort gesehen, dass sie die Sachen, die sie anhatte, bei Oxfam oder solchen Läden gekauft hat. Das war alles schon ziemlich alt und abgetragen.«
»Wie bitte?« Ich glaubte, mich verhört zu haben. »Ihr habt euch über sie lustig gemacht, weil sie gebrauchte Klamotten anhatte? Ihr seid ja die totalen Snobs.«
»Ihr?« Rachel wirkte verletzt.
»Ich wollte damit nur …«
»Ich bin kein Snob. Es ist mir egal, wie viel Geld jemand hat. Darum geht es nicht.«
»Worum dann?«
»Dieser Achtzigerjahre-Streberinnenlook sah irgendwie künstlich aus. Ich meine, wer zieht schon einen Pulli mit V-Ausschnitt und Monogramm an?«
»Ich verstehe es immer noch nicht.«
»Es war«, sagte Rachel geduldig, »als würde sie wie jemand aussehen wollen, der sie nicht ist. Als hätte sie sich verkleidet. Jedenfalls sind die anderen immer gemeiner geworden, haben sie ausgelacht und …«
»Du auch?«
»Nein.« Rachel schüttelte heftig den Kopf, dann senkte sie den Blick und fügte leise hinzu: »Ich habe sie aber auch nicht verteidigt, was mir im Nachhinein total leidtut. Es war wirklich schlimm. Sie sah so hilflos und verletzlich aus, als sie so ganz allein vor uns stand. Ich meine, sie war ganz neu an der Schule, das waren für sie praktisch Wildfremde, die sie niedergemacht und ihr höhnisch ins Gesicht gelacht haben. Irgendwann ist sie dann davongelaufen.«
Rachel verstummte. Ich brauchte nicht viel Vorstellungskraft, um mir auszumalen, wie gedemütigt Ashley sich gefühlt haben musste.
»Nett von euch«, sagte ich sarkastisch.
»Ich weiß.«
»Was ist dann passiert?«
»Ich bin ihr hinterhergelaufen, um mich zu entschuldigen. Sie ist auf den Collins Drive abgebogen, und als ich an die Ecke Mountainside Road kam, habe ich gesehen, dass sie knapp hundert Meter weiter Richtung Northfield Avenue rannte. Ich habe gerufen, dass sie stehen bleiben soll, aber entweder hat sie mich nicht gehört, oder sie wollte nicht, jedenfalls ist sie einfach weitergelaufen.« Rachel holte tief Luft. »Und dann ist etwas total Seltsames passiert.«
»Was?«
»Plötzlich fuhr langsam ein Wagen neben ihr her, und dann wurde die Beifahrertür geöffnet, und so ein riesiger Kerl sprang heraus, noch bevor das Auto zum Stehen gekommen war. Ashley hat sofort umgedreht und wollte in die andere Richtung weglaufen, aber der Typ hat sie eingeholt. Sie fing an zu schreien. Ich habe ihren Namen gerufen und bin, so schnell ich konnte, auf sie zugerannt, ohne überhaupt nachzudenken, was ich da mache. Ich bin einfach losgelaufen und hab geschrien. Aber der Riese hat mich gar nicht beachtet und versucht, Ashley auf die Rückbank zu verfrachten. Sie hat sich mit Händen und Füßen gewehrt, am Türrahmen festgeklammert und ihn gegen die Schienbeine getreten. Der Fahrer hat sich zum Fenster rausgebeugt und ›Beeil
Weitere Kostenlose Bücher