Nur zu deinem Schutz (German Edition)
dich!‹ gebrüllt, und dann hat der andere die Faust geballt, und es hat ausgesehen, als wollte er Ashley bewusstlos schlagen. Ich war fast bei ihnen und hab mein Handy hochgehalten und geschrien, dass ich alles gefilmt und die Polizei gerufen hätte und dass er sie sofort loslassen soll.«
»Und hast du?«, fragte ich.
»Was?«
»Alles gefilmt?«
»Das wäre natürlich super gewesen. Aber ich hatte gar keine Zeit, die Kamera-App zu öffnen. Mir ist auf die Schnelle nur nichts anderes eingefallen und es hat ja funktioniert.«
Mein Handy vibrierte wieder. Ich warf einen kurzen Blick darauf. Noch einmal Ema: wo steckst du???! es ist WICHTIG.
Nach kurzem Zögern beschloss ich, dass Ema noch ein bisschen warten musste. Ich sah Rachel wieder an und forderte sie mit einem Nicken auf, weiterzuerzählen.
»Als sich der riesige Kerl zu mir umgedreht hat, hat Ashley die Chance genutzt und sich mit ihrem ganzen Gewicht gegen ihn geworfen. Er ist rückwärts gestolpert und sie hat sich losgerissen und ist weggerannt. Er wollte hinterher, aber dann hat er mein Handy gesehen und wahrscheinlich beschlossen, dass es besser wäre, sich aus dem Staub zu machen. Er ist schnell in den Wagen gesprungen, aber bevor sie losgefahren sind, hat sich der Fahrer noch mal aus dem Fenster gebeugt und Ashley hinterhergerufen: ›Du kannst dich nicht ewig verstecken, Ash, du weißt, dass ich dich finden werde.‹ Seine Stimme war so fies, dass ich eine Gänsehaut bekommen hab. Und dann sind sie davongerast.«
»Hast du dir das Kennzeichen gemerkt?«
Rachel nickte. »Ja, hab ich. Ich bin gleich zu Ashley gelaufen, hab sie in den Arm genommen und wollte die Polizei anrufen, aber da hat Ashley mich flehend angeschaut und geflüstert: ›Keine Polizei. Bitte!‹ Sie klang richtig panisch.«
Rachel presste die Hände im Schoß zusammen und drehte nervös den Ring an ihrem rechten Zeigefinger hin und her. Mein Handy meldete den Eingang der nächsten SMS . Und danach kam gleich noch eine. Ich ignorierte beide.
»Warum wollte sie nicht, dass du die Polizei rufst?«
»Sie hat gesagt, das würde alles nur noch schlimmer machen. Sie war so verzweifelt, da wollte ich sie nicht noch mehr aufregen, verstehst du? Ich habe ihr angeboten, erst mal mit zu mir zu kommen. Unterwegs hat sie die ganze Zeit geweint, wollte mir aber nicht erzählen, was los war. Sie hat nur ständig gesagt, dass das alles ihre Schuld sei und dass es ihr leidtun würde. Zu Hause habe ich mich an den Computer gesetzt, um die Telefonnummer von ihren Eltern rauszufinden, weil sie so aufgelöst war, dass ich kein Wort aus ihr herausbekommen habe. Als ich gesagt habe, dass ich jetzt ihre Eltern anrufe, ist sie zusammengebrochen und hat mir erzählt, dass die Kents gar nicht ihre Eltern sind und sie sich nur als ihre Tochter ausgegeben hätte, um sich an der Schule anmelden zu können. Irgendwie hat sie herausgekriegt, dass die beiden keine Kinder haben.«
»Und das hat einfach so funktioniert? Ich meine, wollten die bei der Anmeldung keine Papiere sehen?«
Rachel zuckte die Achseln. »Bei ihr hat es offensichtlich geklappt.«
»Dann wussten die Kents also gar nichts von ihr?«
»Ich glaube nicht. Sie hat mir erzählt, dass sie vorher eine Zeit lang in so einem widerlichen Nachtclub in Newark gearbeitet hätte und jeder dort glauben würde, dass ein Mädchenhändler sie entführt hätte, um sie als Prostituierte ins Ausland zu verkaufen. Aber in Wahrheit ist sie abgehauen und untergetaucht.«
Ein Mädchenhändler also. Ich bekam eine Gänsehaut. Candy hatte mir erzählt, dass Antoine Mädchen verschwinden ließ. Dass er der Weiße Tod war. Jetzt verstand ich, was sie damit gemeint hatte. Mädchenhandel wird oft auch als »Weiße Sklaverei« bezeichnet.
»Sie hat sich hier in Kasselton vor ihrer Vergangenheit versteckt«, sagte Rachel, »und hat darauf gewartet, an ihren eigentlichen Zielort gebracht zu werden.«
»Ihren eigentlicher Zielort ? Was soll das heißen?«
»So hat sie es genannt. Es klang so, als wäre ihr Aufenthalt hier nur vorübergehend. Aber ihr gefiel es in Kasselton. Sie hat gesagt …« Rachel schüttelte traurig den Kopf. »Sie hat gesagt, dass sie in ihrem ganzen Leben noch nie so glücklich gewesen sei. Sie wollte einen Weg finden, um in Kasselton bleiben zu können, aber als sie vom Vortanzen weggelaufen ist, haben diese Typen sie auf der Straße entdeckt … und nachdem ihre Tarnung aufgeflogen war, war klar, dass sie nicht länger hierbleiben
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