Nur zu deinem Schutz (German Edition)
anderes übrig, als dorthin zurückzugehen. Auch auf die Gefahr hin, dass ich es noch einmal mit Buddy Ray und seinem Gorilla Derrick aufnehmen musste. Oder mit Antoine LeMaire. Dem Weißen Tod.
Vor meinem inneren Auge sah ich, wie die Hexe, die in irgendeiner Beziehung zu meinem Vater und A BEONAS ZUFLUCHT stehen musste, mir stumm zurief: Rette Ashley.
Mein Vater war sein ganzes Leben für ABEONAS ZUFLUCHT tätig gewesen. Mittlerweile hatte ich eine Ahnung, worin seine eigentliche Arbeit bestanden hatte. Ich glaubte zwar nicht an Vorsehung oder Schicksal und noch nicht einmal an so etwas wie Berufung oder Bestimmung, aber wie hatte Rachel gesagt?
Es fühlte sich einfach richtig an, ihr zu helfen.
Es klang so einfach und sagte doch so viel. Es war eine Verpflichtung, der ich mich nicht entziehen durfte. Auch wenn ich am liebsten davongelaufen wäre, ich konnte es nicht.
Ich musste Ashley retten.
22
RACHEL UND EMA waren fast zehn Jahre lang auf denselben Schulen gewesen und hatten doch nie ein Wort miteinander gewechselt. Die eine war ein Cheerleader mit dem Aussehen eines Topmodels, die andere eine gemobbte Außenseiterin. Und ich, Mickey Bolitar, hatte endlich einen Weg gefunden, die beiden zusammenzubringen.
Wie ich das anstellte?
Indem ich sagte: »Das muss ich allein durchziehen.«
Rachel und Ema bauten sich vor mir auf und verschränkten synchron die Arme vor der Brust.
»Vergiss es«, schnaubte Ema. »Diesmal wirst du die Sache nicht im Alleingang regeln.«
»Wir kommen mit«, sagte Rachel.
»Und lass dir jetzt bloß nicht einfallen, uns irgendeinen Mist von wegen, es sei zu gefährlich, zu erzählen«, fügte Ema hinzu.
Rachel: »Wenn es für uns zu gefährlich ist, ist es auch für dich zu gefährlich.«
Ema: »Genau. Also verschone uns mit irgendwelchem Macho-Gelaber.«
Rachel: »Absolut. Wir sind nämlich keine kleinen hilflosen Mädchen, die beschützt werden müssen.«
Ich glaube, sie sagten noch mehr – irgendwann, das gebe ich offen zu, hörte ich nicht mehr richtig zu –, aber ich hätte sowieso keine Chance gegen sie gehabt. Was sprach also dagegen, meine Niederlage einfach anzunehmen, statt sie noch weiter hinauszuzögern?
»Okay, wie lautet der Plan?«, fragte Ema.
Ich warf einen Blick auf mein Handy. Mittlerweile war es neun Uhr abends. »Ich habe keinen. Uns wird wohl nichts anderes übrig bleiben, als zur Plan B Go-Go Lounge zu fahren und zu versuchen, Candy oder Ashley zu finden.«
»Aber der Typ an der Tür wird dich doch sofort wiedererkennen«, gab Rachel zu bedenken.
Sie hatte recht. »Das stimmt natürlich. Habt ihr eine andere Idee?«
Mein Handy klingelte. Es war Onkel Myron. Ich meldete mich mit einem zögerlichen »Hallo?«.
»Es ist schon ziemlich spät«, sagte Myron. »Hast du Rachel die Wahrheit gesagt?«
»Ja.«
»Wirklich?«
»Sie sitzt direkt neben mir. Willst du selbst mit ihr sprechen?«
»Nicht nötig. Ich habe ihre Adresse im Internet gefunden. Meine Kollegin Esperanza ist bei mir. Wir sind unterwegs zu euch, um dich und den Wagen abzuholen.«
»Oh …!« Ich fuhr mir hektisch durch die Haare, und Ema und Rachel rückten näher an mich heran, um mitzuhören. »Äh … Wir arbeiten aber noch an unserem Projekt für Geschichte«, sagte ich.
»Sie ist in deinem Geschichtskurs?«, fragte Myron.
»Ja, wieso?«
»Dann ist sie also auch in der Zehnten, wenn ich das richtig verstehe?«, sagte Myron. Ich glaubte, einen leicht zynischen Unterton in seiner Stimme zu hören. »Wieso hätte sie dir abkaufen sollen, dass du als Zehntklässler schon fahren darfst?«
Ertappt.
»Bleib kurz dran, Myron. Ich bekomme gerade noch einen anderen Anruf rein.« Ich legte seinen Anruf in die Warteschleife und lief zur Tür.
»Was ist denn los?«, fragte Rachel.
»Wir müssen uns beeilen, er wird gleich hier sein und will den Wagen mitnehmen. Wir müssen sofort los.«
Ohne Zeit zu verlieren, stürmten wir nach draußen zum Ford Taurus. Ich setzte mich ans Steuer, während Rachel und Ema einen Moment zögerten, als wüssten sie nicht, wer wo einsteigen sollte. Dann öffnete Rachel kurzerhand die Beifahrertür und sagte: »Du sitzt vorne, Ema.«
Ema ließ sich nicht lange bitten und Rachel nahm auf der Rückbank Platz.
Ich bretterte aus der langen Einfahrt heraus und fuhr rechts die Straße hoch, während das Handy wieder summte. Anscheinend hatte Myron mittlerweile aufgelegt und versuchte es noch einmal. Ich ging nicht dran. Rachel warf einen Blick aus der
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