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Nur zu deinem Schutz (German Edition)

Nur zu deinem Schutz (German Edition)

Titel: Nur zu deinem Schutz (German Edition)
Autoren: Harlan Coben
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TOD.
    Ich sehnte mich nach meinen Eltern und musste an eine Nacht vor zwei Jahren denken, als wir bei einem Beduinenstamm namens Al-Hajaya in der Wüste Jordaniens lebten. Wir schliefen in Zelten aus Ziegenhaut, die uns vor der nächtlichen Kälte und der Hitze des Tages schützten. Als ich eines Morgens vom Blöken der Dromedare draußen wach wurde, sah ich meine Eltern über mir stehen und mich voller Stolz anschauen. Es war richtig peinlich – sie hatten feuchte Augen und strahlten wie Honigkuchenpferde. Ich spreche von der Sorte liebevollem Elternlächeln, bei dem man als Kind schaudernd zusammenzuckt – für das ich in diesem Moment jedoch alles gegeben hätte. Und auf einmal blitzte ein hoffnungsvoller Gedanke in mir auf – wenn das wirklich der Tod war, dann würde ich vielleicht wirklich das Lächeln meines Vaters wiedersehen, wenn ich die Augen aufmachte.
    Aber Moment mal. Wenn ich tot war, warum tat mir dann von den Schlägen, die Derrick mir verpasst hatte, immer noch mein ganzer Körper weh? Mein Kopf fühlte sich an, als hätte mir jemand einen Presslufthammer implantiert und ihn auf volle Leistung gestellt. Spürte man das, wenn man tot war? Ich konnte es mir eigentlich nicht vorstellen.
    Als ich vorsichtig die Augen öffnete, sah ich tatsächlich ein Gesicht. Aber es war nicht das meines Vaters.
    Es gehörte Derrick.
    Seine Augen standen offen und starrten ins Nichts. Genau zwischen seinen Augen befand sich ein sauberes Einschussloch, aus dem Blut sickerte. Es bestand kein Zweifel: Derrick war tot.
    Ich versuchte, nicht in Panik zu geraten, bewegte mich nicht und hielt den Kopf ganz ruhig, während ich mit den Augen hektisch meine unmittelbare Umgebung absuchte.
    Der tote Derrick und ich lagen in einem Lieferwagen.
    »Schön, dass du wach bist, Mickey.«
    Ich schaute an Derrick vorbei zu dem Mann, der gesprochen hatte. Das Erste, das mir an ihm auffiel, war die Tätowierung in seinem Gesicht.
    »Erkennst du mich wieder?«, fragte er.
    »Sie sind Antoine LeMaire.«
    Ein seltsamer Ausdruck – Zweifel? – verdunkelte kurz seine Züge, aber dann lächelte er. »Höchstpersönlich.«
    Ich kämpfte gegen die höllischen Schmerzen an und spielte alle Möglichkeiten durch, hier lebend wieder rauszukommen. Konnte ich aufspringen und die hintere Tür des Lieferwagens aufreißen? Wahrscheinlich war sie abgeschlossen. Ich grübelte immer noch darüber nach, was ich tun könnte, als Antoine ganz ruhig sagte: »Wenn ich dich umbringen wollte, hätte ich dich vorhin von Derrick erschießen lassen.«
    »Sie …« Ich versuchte, mich ein bisschen aufzurichten. »Sie haben ihn erschossen?«
    »Ja.«
    Ich wusste nicht, was ich sagen sollte. Das »Vielen Dank«, das mir auf den Lippen lag, erschien mir keine wirklich angemessene Reaktion zu sein. Mir fiel ein, was Candy über Antoine und diesen Lieferwagen erzählt hatte.
    »Ich habe gehört«, begann ich, »dass man für immer verschwindet, wenn man einmal in diesem Lieferwagen sitzt.«
    Antoine lächelte. Er hatte ein nettes Lächeln und ebenmäßige, strahlend weiße Zähne, mit denen er der Star jeder Zahnpastawerbung gewesen wäre. Es war schwer zu erraten, was für Wurzeln er hatte – er hätte ein sehr heller Schwarzer oder ein dunkler Latino sein können. »Tja«, sagte er, »das stimmt wohl in gewisser Weise.« Er zeigte auf Derricks Leiche. »Vor allem in diesem Fall.«
    »Und in meinem?«
    »Nein, Mickey. Das hoffe ich wenigstens.«
    »Wo ist Ashley?«, fragte ich.
    »Ich weiß es nicht«, sagte er. »Du weißt ja, dass ich sie gesucht habe.«
    »Damit Sie sie als Prostituierte verkaufen können?«
    »Ah.« Antoine lächelte. »Du hast die Gerüchte also gehört.«
    »Soll das heißen, es ist nichts an ihnen dran?«
    »Du erkennst mich nicht wieder, Mickey, oder?«
    »Ich habe Sie auf dem Überwachungsvideo aus der Schule gesehen.«
    »Das meine ich nicht.«
    Ich zögerte. Er kam mir tatsächlich irgendwie bekannt vor, aber mir fiel beim besten Willen nicht ein, woher ich ihn hätte kennen können. »Was meinen Sie dann?«
    Er krempelte den Ärmel seines Hemds hoch und hielt mir seinen Unterarm hin, auf dem etwas eintätowiert war. Ich blinzelte, und meine Welt, die sowieso schon ziemlich aus den Fugen geraten war, geriet erneut ins Wanken.
    Da war er wieder – der Schmetterling.
    Ich schüttelte verwirrt den Kopf. »Sie … Sie sind einer von ihnen?«
    »Wäre ›einer von uns‹ nicht zutreffender?«
    »Das verstehe ich nicht.«
    »Doch, Mickey, ich
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