Nuramon
müde, Nylma jedoch wurde umso aufmerksamer und entwickelte ein Gespür für Gefahren. Es war beinahe so, als könnte sie das Gift riechen. Doch schließlich mussten sie sich alle eingestehen, dass sie sich in Jasbor und im ganzen Fürstentum nur noch vorsichtig bewegen konnten.
Wenn Daoramu beobachtete, wie Nerimee mit Waragir herumtobte, fragte sie sich oft, wie ihre Tochter so schnell hatte wachsen können. Hatte sie nicht erst vor wenigen Monaten laufen gelernt? Bald schon wünschte sie sich ein zweites Kind, und Nuramon war einverstanden. Doch trotz all ihrer Liebesnächte erfüllte sich ihr Wunsch nicht. Ceren sagte ihr, dass sie bereits mit Nerimee großes Glück gehabt hatten, und riet ihr, an welchem Tag zu welcher Stunde es günstig wäre, ein Kind zu empfangen – und dann geschah es.
Vier Jahre nach Nerimee kam ihr erster Sohn zur Welt. Diesmal ließ Daoramu zu, dass Nuramon ihre Schmerzen mit seinem Zauber schmälerte, und als sie den Jungen im Arm hielt und ihre Eltern nach seinem Namen fragten, antwortete Nuramon: »Gaerigar.« Dass ihr erster Sohn den Namen von Daoramus Urgroßvater väterlicherseits trug, rührte Borugar zu Tränen.
Gaerigar war laut, wach und begierig. Und er ähnelte mit seinem runden Kopf und seinem Tatendrang Daoramus Vater. Nur das blonde Haar, das alle faszinierte, lenkte von diesem Eindruck ab.
Für Nerimee war die Geburt des Bruders ein Geschenk. Sie hatte so lange auf ihn warten müssen, dass sie ihn nicht als Konkurrenten sah. »Unser Kind«, sagte sie oft, und als Gaerigar endlich zu laufen und zu sprechen begann, tobte er gemeinsam mit Nerimee und Waragir scheinbar unermüdlich durch den Palast. Sie belebten die Gänge und Hallen und brachten Daoramu zum Schmunzeln. Denn ein Haus, das so sehr von Kinderlachen erfüllt war, das hatte sie sich früher oft gewünscht. Dann hatte sie den Wunsch vergessen, nur um sich nun wieder daran zu erinnern und ihn erfüllt zu sehen.
Daoramu lernte in diesen Jahren auch Nuramon mit anderen Augen zu sehen. Die erste Zeit mit Nerimee war ruhig und besinnlich gewesen; jetzt aber, da es im Palast laut wurde, merkte sie, wie sehr seine Geduld auf die Kinder wirkte. Er hielt ihren Tatendrang aus und wusste sie zu überreden. Wenn er merkte, dass sie sich nicht waschen wollten, bat er sie nicht darum, sondern fragte, wo sie sich waschen wollten, in den Badegewölben oder in den Gemächern. Und Daoramu staunte ein ums andere Mal, dass es ihm gelang, sie vergessen zu lassen, dass sie weder das eine noch das andere wollten.
Nach vier weiteren Jahren kam ihr drittes Kind: Yendred. Die Geburt des Jungen verlief schwierig, und später erzählte Ceren ihr, dass sie ohne Nuramons Heilkräfte bei der Geburt gestorben wäre. »Dein Körper hat eine Wunde hingenommen, die Nuramon nicht heilen konnte. Du wirst nie wieder ein Kind haben«, sagte sie.
»Ist es so wie bei Nylma?«, fragte Daoramu, und Ceren nickte. Waragir war Nylmas und Yargirs einziges Kind geblieben. Die beiden Schwertfürsten nahmen es leicht und schenkten Waragir ihre ganze Liebe. Und mit Yendred im Arm und von Nerimee und Gaerigar umgeben, empfand Daoramu die Kunde ebenfalls nicht als Verlust.
Yendred hatte etwas Beruhigendes an sich. Oft starrte er Daoramu in aller Ruhe an, während seine Geschwister irgendwo auf den Gängen spielten. Sie kostete die Monate aus, in denen er vom Säugling zum Kleinkind heranwuchs. Mit seinem braunen Haar und den hellbraunen Augen ähnelte er Nuramon sehr. Manchmal schien es Daoramu in diesen Jahren, als wäre das Lächeln zu einem natürlichen Teil ihres Gesichtes geworden; so glücklich war sie.
Dann jedoch – im Jahre 2267, elf Jahre nach ihrer Ankunft in Jasbor – erreichte sie die Kunde, dass die Varmulier ihre Streitmacht am Ostufer des Ruljas sammelten; und Daoramus Angst, Nuramon zu verlieren, kehrte zurück. Zugleich erzählte man sich von Geistererscheinungen in den Lysdorynen. Solche Berichte waren für sich genommen nicht ungewöhnlich, wenngleich sie sich in der Vergangenheit nie als wahr herausgestellt hatten. Die Häufung der Erzählungen jedoch bereitete Daoramu Sorgen. Ihr Vater vertraute darauf, dass Jasgur die Varmulier nicht über den Ruljas kommen ließ und bat Nuramon, den Berichten über magische Erscheinungen auf den Grund zu gehen. Und damit begann das Übel.
Die Geistererscheinungen boten Nuramon die Gelegenheit, wieder einmal mit den Ilvaru auszuziehen. Seine Kriegsschar wohnte in der Südgarnison des
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