Nuramon
und gab den Männern erneut einen Wink. »Bindet sie wieder auf den Tisch. Ich werde ihr das geben, was schon ihre Mutter verdient hätte.«
Nerimee nahm sich diesmal vor, an nichts zu denken. Jeder Gedanke an etwas Schönes würde von dem Grauen, das ihr bevorstand, besudelt werden. Sie musste alles, was ihr etwas bedeutete, aus sich verbannen, um später – falls sie irgendwie aus dieser Lage entkam – darin Trost zu suchen. Doch noch ehe Merryn zur Tat schreiten konnte, rief eine helle Jungenstimme von der Treppe herab: »Herr! Er ist da. Nuramon ist in Jasbor!«
Merryn hielt inne und atmete tief durch. »Gut!«, rief er schließlich. »Wartet!«, befahl er den Wachen. »Bringt sie zurück in den Kerker. Ihr könnt sie verprügeln, wenn ihr wollt. Mehr aber nicht – noch nicht. Zuerst gehört sie mir.«
Sie hätten schon in Jasbor sein können, doch Nuramon hatte auf dem Weg über die Albenpfade auf einem Lichtplateau draußen in der Welt eine magische Quelle gespürt, die ihm vorher nicht aufgefallen war. So hatten sie die Albenpfade verlassen und befanden sich nun am Strand einer von Steilklippen umgebenen Bucht. Während Bjoremul, Dyra und Lyasani wie gebannt auf das Meer hinausschau ten, errichteten Nuramons Leute ein kleines Lager und verteilten Brot und doranyrischen Tee.
Nuramon und Waragir standen an der magischen Quelle. Für Nylmas und Yargirs Sohn deutete gewiss nichts darauf hin, dass hier Zauberkraft aus der Klippe drang, doch Nuramon spürte die Magie wie einen dünnen Nebel, der sich auf die Felsen und Steine vor der Klippe senkte.
Er holte einen der Edelsteine aus Varlbyra hervor, einen Meeresstein, und ließ seine Kraft langsam in ihn fließen. Dann schlug er mit dem Dorn seines Dolchgriffs ein Loch in den Fels der Klippe und legte den Stein hinein. Schließlich wandte er sich ab und atmete durch.
»Du hättest das auch später tun können«, sagte Waragir.
»Ich weiß nur nicht, wann ich das nächste Mal dazu komme.« Nuramon öffnete den Beutel mit den Edelsteinen und ließ Waragir hineinschauen. »Einer davon könnte mir den Zauber ermöglichen, nach dem ich seit Jahren strebe. Und ich möchte alles daransetzen, dass er Wirklichkeit wird.«
»Du willst das Altern verlangsamen.« Waragir lächelte, und Nuramon hob überrascht die Brauen. »Nerimee und Daoramu haben es mir gesagt«, erklärte der junge Schwertfürst. Dann hielt er kurz inne und sah auf das Meer hinaus. »Weißt du denn, wie Nerimee altern wird? Sie kann oder will es mir nicht sagen.«
Nuramon lächelte. »Ceren glaubt, sie wird langsamer altern als ein Mensch und schneller als ein Elf«, sagte er. »Das Artefakt, das Ceren und ich schaffen wollen, würde nicht nur Daoramu ihre Ängste nehmen. Vielleicht könnte es irgendwann auch dir und Nerimee zur Verfügung stehen.«
Waragir grinste. »Dann hast du also akzeptiert, dass wir zusammen sind?«
Nuramon legte ihm die Hand auf die Schulter. »Du stellst so viele Fragen wie dein Vater, bist so leichtsinnig, wie deine Mutter es einst war. Und Daoramu sieht dich schon lange als ihren Schwiegersohn. Und ich tue es auch.«
»Hast du mich deswegen zu deinem Schwertfürsten gemacht?«
»Nein. Ich habe dich beobachtet und sehe viel von deinen Eltern in dir. Und die Lebensgefahr sagt einem alles über einen Menschen – oder einen Elfen.«
Waragir nickte. »Hast du dich schon entschieden, wer dein neuer Schwertbruder wird?«, fragte er.
Nuramon zuckte mit den Schultern und schaute hinüber zu den Leichen, die in Tücher gewickelt neben dem Albenstern lagen. Der Tod Muregals nagte noch immer an ihm. Bjoremul und dessen Familie hatten ihn vom Schicksal seines Schwertbruders abgelenkt. Nun aber war die Trauer durchgebrochen, und Nuramon fragte sich, was aus Muregal geworden wäre, hätte er jenen Tag an der Quelle im Schlangenforst überlebt. Über einen neuen Schwertbruder hatte er noch nicht nachgedacht. Er wusste nur, dass es nicht Waragir sein würde, denn dieser war Aswyruns Schwertbruder, und er wollte die beiden nicht trennen. »Wen würdest du vorschlagen?«, fragte er den Sohn Nylmas und Yargirs.
»Nimm Loramu«, sagte er.
Nuramon nickte und schaute zu der schmalschulterigen Kriegerin hinüber, deren nachtschwarzes Haar im Meereswind wehte. »Eine gute Wahl«, sagte er. »Ich werde sie fragen.« Er lächelte. »Wir werden fortan viel Zeit damit verbringen, das Kämpfen in Paaren zu üben. Dafür brauche ich deine Unterstützung – und jene Wege zur Einheit im
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