Nuramon
Geheimnis des Elfenhauses zu lüften. Endlich ist es so weit.«
Auch die Bauern und die Wachen des Vogts starrten sie nun aufmerksam und erwartungsvoll an.
Nuramon tauschte Blicke mit seinen Gefährten und sah in ihren Mienen dieselbe Verwunderung, die auch er empfand. Von einem Elfenhaus und dessen Geheimnis hatte er noch nie zuvor gehört. »Was hat es damit auf sich?«, fragte er.
Wergor wies durch das offene Nordtor zu einer Klamm. »Alles, was du wissen musst, wirst du in Alvarudor erfahren. Wir haben lange auf den Gesandten der Elfenkönigin Emerelle gewartet.« Wergor strahlte. »Der Rat wird gespannt sein, welche Kunde du bringst.«
Kurz erwog Nuramon, den Vogt darüber aufzuklären, dass er nicht die geringste Ahnung hatte, wovon dieser sprach, doch dann entschied er sich dagegen. In gewisser Weise war er Emerelles Gesandter. Außer ihm gab es niemanden mehr, der diese Würde hätte ausfüllen können. Also sagte er: »Und ich bin gespannt, wie eure Stadt erblüht ist, seit zum letzten Mal ein Albenkind dieses Weges kam.« Dann nahm er dankend die Pferde entgegen, die die Wachen ihnen brachten, und verließ Werlawyr mit seinen Gefährten und geleitet von dem Vogt und zehn seiner Krieger durch das Nordtor.
Sie ritten die eisige Straße zur Felswand entlang und über die Brücke in die Klamm hinein. Nylmas und Yargirs Blicke in die Höhe verrieten, dass sie sich an Teredyr erinnerten und die Ränder der Klamm nach Bogenschützen absuchten. Doch es war niemand zu sehen, und so folgten sie unbehelligt der sich langsam emporschlängelnden Straße entlang der kümmerlichen Reste des Flusses, der die Klamm einst aus dem Berg gespült hatte. Die Straße verbreiterte sich, stieg steil an, führte um eine langgezogene Kehre, und mit einem Mal starrten hoch über ihnen Fensterhöhlen und Scharten wie nachtschwarze Augen aus dem Fels. Am Ende der Kehre führte die Straße geradewegs zu einer gewaltigen Mauer empor. Sie hatten Alvarudor erreicht.
Das Tor, das an der Höhe der Mauer gemessen winzig wirkte, stand ihnen offen, doch jenseits der Pforte empfing sie statt Tageslicht nur der Schein von Öllampen. Als Nuramon erkannte, dass diese einen Tunnel ausleuchteten, wurde ihm klar, dass das, was er für eine Mauer gehalten hatte, in Wirklichkeit eine gewaltige Burg war, die die beiden Felswände vor ihm verband. Der Eingang wirkte beinahe wie die Pforte ins Zwergenreich, einem Königreich im Berg. Doch dieser Tunnel endete nach gut fünfzig Schritten an einem Fallgitter, hinter dem sich im Tageslicht ein Hof erstreckte. Als das Gitter sich gehoben hatte und sie ins Freie getreten waren, bemerkten sie die Krieger, die auf den Mauern Aufstellung genommen hatten und respektvoll zu ihnen herabblickten.
Der Hof endete an einer echten Mauer, über der sich Alvarudor in all seiner Pracht die Klamm hinaufzog. Bunt getünchte Holzbauten mit Schieferdächern ragten aus dem Fels hervor. Auf den Balkonen erspähte Nuramon Menschen, die neugierig zu ihnen herabblickten. Noch ehe sich das zweite Tor am Ende des Hofes öffnete, brandete jenseits der Mauer ein gewaltiger Jubel auf, und als sie das Tor passiert hatten, fanden sie sich inmitten einer fröhlichen Menschenmenge wieder. Die Leute standen auf der Straße, auf den breiten Stegen und kleinen Brücken, die über die schmalen Wasserrinnen führten; sie standen in den Türen der Häuser und den Toren der Scheunen, der Lager und der Werkstätten, oben in den Fenstern, auf den Balkonen und auf den Dachterrassen der herausragenden Häuser. Sogar auf Felsvorsprünge und Ziegeldächer hatten sich einige vorgewagt, um einen unverstellten Blick auf sie zu erhaschen. Hoch oben lösten sich Stoffbanner, und bunt bemaltes Laub schwebte in der Luft. Hörner und Trommeln mischten sich unter den Jubel und begleiteten ihren Anstieg im Triumphklang.
In Yargirs Gesicht saß das Entsetzen, Nylma winkte und grinste vor Freude, und Daoramu standen die Tränen in den Augen. Nuramon selbst machte der Überschwang zunächst Angst, dann aber ließ er sich davon berühren und lächelte den Alvarudorern entgegen.
Auf ihrem von fröhlichen Menschen gesäumten Weg durchritten Nuramon und seine Vertrauten fünf weitere Tore, bis sie schließlich einen von Türmen und vielgiebeligen Herrenhäusern gesäumten Platz erreichten. Das größte und prachtvollste Haus war auf das steinerne Erdgeschoss einer Festung gebaut und wirkte mit seinen zahlreichen Dächern wie der Palast eines Fürsten. Links und
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