Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Nuyen, Jenny-May - Nijura, das Erbe der Elfenkrone

Nuyen, Jenny-May - Nijura, das Erbe der Elfenkrone

Titel: Nuyen, Jenny-May - Nijura, das Erbe der Elfenkrone Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: das Erbe der Elfenkrone Nijura
Vom Netzwerk:
vollkommen falsche Richtung aufbrachen? Sie
würden ohne Proviant verloren sein in den unendlichen Weiten der Marschen und Sümpfe!
    Um einander von den nagenden Sorgen abzulenken, versuchten die Elfen Nill ein paar Wörter in ihrer Sprache beizubringen. »Medaj« – das bedeutete Bruder, Freund oder Schwester – und »Soyel«, was wohlgesonnen oder freundschaftlich hieß, waren einfache Wörter, die Nill sich gut merken konnte und auch nicht schlecht aussprach. Doch die Elfensprache war voller Redewendungen, die nur dann Sinn machten, wenn man mit der gesamten Elfenkultur vertraut war. »Enyersol mobedd arev yen Nir« etwa war ein Segen, der ein langes, gesundes Leben wünschte –
    aber wörtlich übersetzt bedeutete es nichts anderes als: »Eine gelbe Honigwabe sei dein Leben.« Denn Honigwaben waren im Volk der Elfen ein Zeichen der Gesundheit und Unendlichkeit. Solcherlei Re-densarten brachte Nill immer wieder durcheinander, obgleich sie die Worte selbst nicht vergaß. So sagte sie beispielsweise zu Kaveh: »Du bist ein glücklicher Käfer mit Geist.« Wobei sie eigentlich meinte: »Dein Geist fliegt wie der schillernde Käfer«, was eine nette Redewendung von Erijel war, Kaveh an seine kopflose Verträumtheit zu erinnern.
    Alle hatten ihren Spaß an Nills Sprachversuchen, besonders sie selbst. Abends lag sie wach auf den Fellen und flüsterte die neuen Silben vor sich hin, denn sie wollte unbedingt die Sprache der Elfen erlernen – nicht zuletzt, weil die Klänge so weich und fließend über die Zunge rollten. Wenn Kaveh und die
Ritter sprachen, dann klang es wie ein rasches Lied, wie ein sachter Wind, der durch die Weiden flüstert.
    Doch abgesehen von der Zeit, in der die Elfen Nill ihre Sprache beibrachten, warteten sie alle schweigend die Minuten, die Stunden, den Tag ab. Die Langeweile und die Sorgen drückten ihre Stimmung.
    Einerseits konnte Nill nicht abwarten, dem schweigsamen Maferis zu danken, die Hütte zu verlassen und endlich wieder im Freien zu sein, andererseits fürchtete sie sich davor, wieder in die Welt hinauszutreten.
    Die Grauen Krieger, der Turm des Königs, die Marschen lauerten jenseits der Hütte … und vielleicht, ja, vielleicht sogar der Tod.
    Wenn sie es genau betrachtete, wartete am Ende ihrer Reise sogar sehr wahrscheinlich der Tod, auf die eine oder andere Art. Nill wusste, dass Dinge vor ihr lagen, die sie vielleicht zerstören würden … Aber sie verdrängte diese Gedanken. Andern konnte sie ohnehin nichts mehr.
    Als es Scapa besser ging, setzte sich Nill öfter neben seine Pritsche, sprach mit ihm über dies und jenes und fragte ihn, wie er sich fühle. Wie er so im Bett lag, bleich und fiebrig und ohne seinen schwarzen Mantel, kam er Nill kaum mehr unheimlich vor.
    Lediglich die Kühle seines Blicks hatten weder Fieber noch Erschöpfung ihm nehmen können.
    Einmal, als Nill neben Scapa saß und ihm erzählte, wie sie Kaveh versehentlich in der Elfensprache ein Rebhuhn genannt hatte, gelang es ihr erstmals, ihm ein kurzes Lachen abzuringen. In dem Augenblick
trat Kaveh hinter sie und sagte barsch: »Komm mal mit.«
    In der Vorratskammer verschränkte er die Arme vor der Brust. »Ich finde, du solltest dich ein bisschen in Acht nehmen«, sagte er. »Dieser Scapa ist und bleibt ein Dieb, ein Betrüger und ein listiger Lügner. Wer weiß, wie schnell er in deine Rocktasche greifen und den Steindorn ein zweites Mal stehlen kann, wenn du ständig bei ihm bist und mit ihm kicherst!«
    Nill klopfte dem Prinzen auf die Schulter. »Ich lasse mich schon kein zweites Mal überlisten. Au-
    ßerdem, was sollte Scapa denn mit dem Steindorn anfangen? In seinem Zustand hinaus in den Schnee rennen und uns davonlaufen?« Sie lächelte bei dieser Vorstellung.
    »Ich sage bloß, dass man ihm nicht vertrauen kann. Er ist – er ist gefährlich.«
    »Ja, ja«, erwiderte Nill. »Ich würde mir aber mehr Gedanken über Maferis machen. Der kommt mir doch noch unheimlicher vor als Scapa.«

    Es war spät in der Nacht, lange nach dem mageren Abendessen aus harten Wurzelknollen und gedörr-tem Hirschfleisch, als Scapa aus dem Schlaf schrak.
    Für mehrere Augenblicke rieselte noch Schnee vor ihm; dann umgaben ihn wieder die gewohnte Umgebung und das friedliche Licht des Kamins. Er richtete sich auf und tastete nach seinem Herzen. Es schlug ihm heftig gegen die Brust.
»Wieder der Traum?«, flüsterte eine Stimme.
    Scapa fuhr herum und blickte in das verbrannte Gesicht des Moorelfen. Er saß ihm

Weitere Kostenlose Bücher