Nuyen, Jenny-May - Nijura, das Erbe der Elfenkrone
nicht.« Sein Blick streifte durch die Reihen der Anwesenden. Der Lampenschein flackerte auf ihren dunklen oder blassen, mageren oder runden Gesichtern. »Aber vielleicht gibt es einen anderen Weg, den Fuchsbau endgültig zu erobern und Torron zu besiegen. Wir haben einen Plan.« Er spürte die Spannung um sich herum und versuchte seine Gefährten einzuschätzen: Die meisten wirkten noch immer fest entschlossen.
Schließlich sprach Scapa die Idee aus, auf der ihre ganze irrsinnige Hoffung beruhte, er sagte es schnell und schmerzlos: »Wir holen uns Torrons Waffen.«
»Was?«, rief ein älterer Junge namens Cev und sprang auf. »Was soll das denn heißen?«
»Es heißt genau das, was ich gesagt habe«, erwiderte Scapa. »Bitte, hört mir erst zu.«
Allmählich verebbte das verwirrte Raunen.
»Es gibt einen Weg, in den Fuchsbau zu gelangen, ohne von Torrons Männern entdeckt zu werden.
Wisst ihr, wie der Wolf ins Haus des Hasen kam? Er konnte die Tür nicht aufbrechen, deshalb kletterte er durch den Schornstein … Denkt nach.« Niemand sagte etwas. Kurz sah Scapa zu Arane herab. Sie erwiderte seinen Blick eindringlich.
»Die Kanalisation«, flüsterte er. Dann blickte er wieder auf: »Die Kanalisationsschächte! Selbst der
Fuchsbau muss alte Schächte haben, die bis in sein Inneres führen! Durch sie werden wir unbemerkt in Torrons Festung kommen!« Das große Staunen be-flügelte Scapa. Er schloss die Hand zur Faust.
»Wenn wir erst mal drin sind, finden wir die Waffenkammern. Von dort nehmen wir uns alles, was wir tragen können und greifen von innen heraus an!
Torron und seine Männer werden überrumpelt sein.
Wenn sie zu ihren Waffen greifen wollen, sind sie nicht mehr da. So lösen wir nicht nur das Problem, an Speere, Schwerter und Knüppel zu kommen, wir verhindern auch, dass Torrons Männer uns als ge-wappnete Feinde begegnen. Nur so können wir tatsächlich gewinnen!«
»Das heißt, wir dringen vollkommen unbewaffnet in den Fuchsbau ein?«, fragte Cev ungläubig.
»Ja. Wir brauchen Hacken und Schaufeln, falls die unterirdischen Wege zugebaut sind. Dann sind wir auf uns gestellt, bis wir die Waffenkammern erreichen.«
»Woher willst du wissen, wo diese Waffenkammern sind?«
Schatten erfassten Scapas Gesicht. »Die Waffen werden, wie Torrons Schätze, im Zentrum des Fuchsbaus versteckt sein, wo es weder Fenster, noch zerbröckelte Mauern gibt. Wir müssen auf unser Glück vertrauen. Aber das hätten wir so oder so tun müssen.«
Eine Weile blieb es still. Jeder schien darüber nachzudenken – eine Entscheidung würde für manche Leben oder Tod bedeuten.
Scapa sprang vom Tisch und trat in die Mitte des Zimmers. Langsam drehte er sich im Kreis und sah jeden Jungen und jedes Mädchen einzeln an.
»Ich weiß, dass manche von euch verletzt werden.
Einige werden sogar sterben. Es ist ein großes Risiko.
Für uns alle. Wir riskieren unser Leben. Aber der Gewinn – der Gewinn ist die Freiheit! Der Gewinn ist Macht! Der Gewinn ist der Fuchsbau, Torrons Schätze, ein Leben ohne Hunger und Elend!« Ein verzweifeltes Lächeln glitt über seine Züge. »Was ist schon ein Leben, in dem man bloß versucht, so lange wie möglich dem Tod auszuweichen? Wozu kämpfen, frage ich euch, wozu klauen und hungern und den ganzen elen-den Mist, wenn die Welt uns keinen einzigen Augenblick Frieden schenkt? Ich sage, wir erbeuten uns den Frieden! Wir nehmen uns, was uns zusteht! Niemand kann uns davon abhalten, um unser Glück zu kämpfen.
Das Schicksal hat uns arm geboren. Die Götter – ich sage, die Götter wissen nicht mal, dass es uns gibt!
Und ich spucke auf sie! Ich brauche sie nicht, wenn ich eine Faust zum Zuschlagen habe und ein Herz voller Mut! Ich brauch sie nicht! Ich entscheide, wer ich bin und was mir gehört. Und wenn wir jetzt nicht unser Schicksal in die Hand nehmen, dann bleiben wir das, was wir unser ganzes Leben lang waren: Torrons Sklaven! Seine – seine Hunde! Kämpft! Kämpft mit Mut und Kraft! Es geht um unser Leben!«
Von überall kamen Jubelrufe.
»Ich werde mitkommen!« Fesco sprang auf. Ihm folgten andere.
»Ich auch!«
»Ich bin dabei!«
Cev erhob sich. »Mir gefällt nicht, wie du über die Götter redest!«
Stille senkte sich über die Menge. Gespannt beobachtete man Cev und Scapa.
»Ich glaube an die Götter«, sagte Cev eisig. »Man darf sich nicht gegen sie stellen. Aber … ich glaube auch, dass du Recht hast. Die Götter wissen nichts von uns. Straßenkinder sind ihnen
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