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Nuyen, Jenny-May - Nijura, das Erbe der Elfenkrone

Nuyen, Jenny-May - Nijura, das Erbe der Elfenkrone

Titel: Nuyen, Jenny-May - Nijura, das Erbe der Elfenkrone Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: das Erbe der Elfenkrone Nijura
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hing wie wirres Haar ins Wasser.
    »Weiter vorne lichten sich die Wälder«, sagte Arjas. »Die Flussläufe zweigen nun in alle Himmelsrichtungen ab. Sie sind mit Schilf überwuchert – mit einem Boot wird man kaum weiterkommen.«
    Kaveh nickte und trat ebenfalls ans Ufer. Dann reichte er Nill die Hände, um ihr aus der Barke zu helfen. Nills Herz begann zu klopfen bei der Berührung, denn sie hatte noch nie einem Elf – oder sonst einem Jungen – beide Hände gereicht und sich auf so vornehme Art helfen lassen.
    »Wir müssen die Barke hier lassen«, sagte Kaveh.
    Sie schulterten ihre Proviantbeutel, Bogen und Köcher und ließen die Barke im hohen Schilf zurück.
    Das war das Letzte, dachte Nill, das Letzte aus ihrer Vergangenheit.
    In den Wäldern empfing sie matte Dunkelheit.
    Rings um sie herum erhoben sich Fichten und Tannen mit glänzenden schwarzen Stämmen. Sie verschluckten zwar das meiste Tageslicht, standen aber zu weit auseinander, um den Regen ernsthaft abzuschirmen. Der Boden war ein fleckiger Teppich aus Moos und braunen Tannennadeln, die bald an den Stiefeln der Elfen und an Nills Waden klebten.
    Allmählich standen die Bäume immer weiter voneinander entfernt. Obwohl die Dämmerung bereits
einsetzte, wurde es nicht dunkler, denn auch der Wald lichtete sich, je weiter sie kamen. Immer öfter konnten sie Flecken vom Himmel über sich erspä-
    hen. Schließlich blieb Bruno stehen und wandte sich fragend zu Kaveh um. Der lief ihm schon entgegen.
    Er öffnete die Taschen, die der Keiler um den Leib trug, und zog fünf Fackeln hervor.
    »Es wird bald dunkel. Und wie es aussieht, wird der Mond nicht scheinen. Wir sollten Licht machen.«
    Nill und die Ritter warteten ab, bis Kaveh die Fackeln angezündet hatte. In den Taschen waren sie einigermaßen trocken geblieben. Nill dachte verwundert daran, wie Bruno stehen geblieben war, sobald Kaveh die Fackeln hatte holen wollen. Konnten die beiden womöglich miteinander sprechen – und das ohne jeden Laut …?
    Jeder der Gefährten nahm eine Fackel. Bis jetzt war ihnen gar nicht aufgefallen, wie dunkel es schon geworden war. Als sie sich wieder in Bewegung setzten, sah Nill schon nichts mehr, was außerhalb der hellen Lichtkreise ihrer Fackeln lag. Selbst der Boden schien unter ihren Füßen zu versinken … Sie wanderten bald in Finsternis, in der es nur das leise Prasseln des Regens und den flackernden Feuerschein gab.
    So fiel Nill zunächst nicht auf, wie die Bäume des Waldes hinter ihnen zurückblieben und der unebene Moosboden sich in eine unebene Straße verwandelte.
    Sie folgte nur den Fackeln, folgte nur dem Licht, einen Schritt nach dem anderen, einen Fuß vor den
nächsten, weiter, weiter durch die Nacht. Bleierne Müdigkeit überkam Nill. Ihre Augen wollten immer wieder zufallen. Die Knie sackten ihr ein, ihr Arm, der die Fackel hielt, wurde schwer. Der Hunger wuchs zu einem schwarzen Loch heran und verwandelte sich in Kälte, die Kälte in noch mehr Müdigkeit
    … Aber an Schlafen war bei diesem Wetter ohne einen Unterschlupf nicht zu denken.
    Donner rollte über das Land, nun in seiner ganzen monströsen Lautstärke und ohne von den Bäumen des Waldes gedämpft zu werden. Blitze zuckten in der Finsternis und erhellten für weniger als eine Sekunde die Welt: Nill glaubte sich mit einem Schlag in einer Wüste, denn in dem kurzen Moment, in dem sie ihre Umgebung in gleißendes Licht getaucht sehen konnte, war absolut nichts zu erkennen. Nichts außer kargen Hügeln, nichts außer fernen Umrissen, die Berge sein mochten oder auch nur Wolkenfetzen.
    Nill sehnte das Tageslicht herbei und fürchtete sich zugleich davor, was für eine öde Landschaft es enthüllen würde.
    Plötzlich machten die Elfen Halt. Nill wäre fast gegen die anderen gestolpert und musste ihre Augen erst zwingen, wieder scharf zu sehen, ehe sie erkannte, was vor ihnen lag. Kavehs Fackel war zu einem schmächtigen Flämmchen geworden, das sich kaum noch gegen den Regen behaupten konnte. Er hielt sie dicht an ein Holzbrett. Es war ein verwittertes Stra-
    ßenschild.
    Das wurmzerfressene Holz glänzte im triefenden
Regen. Kaveh beugte sich näher heran. Das Fackel-feuer leckte zischend am glitschigen Schild.
    »Was steht da?«, murmelte Mareju. »Könnt ihr es lesen?«
    »Ich erkenne kein Wort.« Arjas zuckte mit den Schultern.
    »Wartet«, sagte Kaveh.
    Nill stellte sich auf die Zehenspitzen, um das Stra-
    ßenschild zu sehen. Aber selbst für jemanden, der lesen konnte, waren

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