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Nybbas Nächte

Nybbas Nächte

Titel: Nybbas Nächte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Benkau
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Rückstoß gewesen war. Beißender Gestank brannte in ihren Atemwegen, in ihrem Mund schienen sich Asche, Salz und Blut zu mischen. Sie hob den Revolver erneut, ohne etwas zu sehen, spannte zitternd den Hahn. Jeder Muskel ihres Oberkörpers schmerzte. In ihren Ohren rauschte und klingelte es, darunter mischten sich Schreie. Eine Salve von Schüssen donnerte außerhalb des Raumes los. Irgendwo in dieser Kakofonie glaubte Joana, eine vertraute Stimme zu erkennen. Ihre Augen brannten, nahmen nur noch Konturen wahr. Eine dunkle Gestalt kam auf sie zu, streckte den Arm aus.
    Zielte er?
    Sie presste die Augen zusammen und schoss blind. Wieder schlug der Revolver gewaltig zurück, diesmalentglitt er ihren Händen. Der Schmerz jagte durch ihren ganzen Körper. Mit einem dumpfen Poltern schlug der Angreifer vor ihr auf dem Boden auf. Sie tastete mit tauben Armen nach ihrer Waffe. Ein weiterer Schemen näherte sich, sprang über den Niedergeschossenen hinweg. Sie riss den Revolver mit einem heiseren Schrei nach oben und suchte den Abzug. Oh Gott, ihre Finger waren wie gelähmt. Endlich fand sie die kleine Metallschlaufe, zerrte kraftlos daran. Im nächsten Moment spürte sie Nicholas’ Hände im Gesicht, seine Lippen an ihrer Stirn. Seine Brust drückte gegen den Lauf der Waffe, sodass sie sie nicht herunternehmen konnte.
    „Joana.“ Samtweich legte sich seine Stimme über das grässliche Rauschen in ihren Ohren. „Oh danke, danke, danke! Bist du verletzt?“
    „N-nicht wirklich“, stammelte sie. „M-mir t-tut nur alles weh.“ Sie drückte mit dem Unterarm gegen ihr schmerzendes Dekolleté und stöhnte.
    „Kein Wunder.“ Er gab ein Geräusch von sich, das halb Lachen und halb Schluchzen war, nahm ihr den Revolver weg und küsste ihre pochenden Hände. Seine zitterten. „Das ist eine Smith & Wesson 500 Magnum. Gehört zu den durchschlagstärksten Handfeuerwaffen, die es gibt. Hat aber gewisse Nachteile. Sie spuckt und tritt aus wie ein Pferd.“ Mit dem Daumen rieb er ihr notdürftig die Schmauchpartikel aus den tränenden Augen.
    „Ich will das Ding nie wieder in die Hand nehmen.“ Ekel stieg in ihrer Kehle auf, bitter wie Galle. „Hab ich … jemanden getroffen?“
    „Oh ja.“ Ein garstiges Lächeln würzte seine Stimme. „Einen hast du umgenietet, wie ich es nicht besser hingekriegt hätte. Und keine Sorge. Du bekommst eine süße kleine Beretta.“
    Bevor sie erwidern konnte, dass sie lieber gar keine Pistole mehr in die Hände nehmen wollte, drehte er sich um und durchmaß den Raum in langen Schritten. Warum ging er weg? Er sollte nicht weggehen.
    Erst jetzt sah Joana, dass Elias in Gestalt des Racheengels neben der Tür stand und einen der Männer an die Wand gepresst hielt. Sie krabbelte aus ihrem Versteck und wünschte sofort, sie wäre drin geblieben. Der von ihr niedergeschossene Mann lag auf dem Boden vor dem Fenster. Seine Beine waren abgeknickt, sodass die Oberschenkel über den Waden ruhten. Im linken Ärmel seiner Lederjacke prangte ein besudeltes Loch. Aber das Schlimmste war der Kopf. Er war in einem anatomisch unmöglichen Winkel zurückgeworfen, sein Kehlkopf regelrecht in Stücke gerissen. Nur ein paar fleischige Fetzen und gummiartige Sehnen verbanden den Kopf noch mit dem Rumpf. Weit aufgerissene Augen starrten in eine Zimmerecke.
    Ein Mensch. Es war ein Mensch gewesen. Die riesige Blutlache schimmerte im einfallenden Licht und weitete sich unaufhaltsam aus. Sie sog sich bereits schleichend die Vorhänge empor. Diese seltsamen Vorhänge, die sie jeden Abend schloss, und die jeden Morgen wieder offen waren. Sie hatte dem Mann den Hals zerschossen. Gott, sie hatte einen Menschen getötet. Die Luft fraß sich warm, von Eisengeruch geschwängert, in ihren Körper und zwang sie zum Würgen. Sie taumelte in größtmöglichem Abstand um den Toten herum, um nicht barfuß in das Blut zu treten. Den Leichnam ließ sie nicht aus den Augen. Wenn er nun nach ihr packte …
    Erst als sie an dem Toten vorbei war, wurde ihr das Ausmaß des Überfalls bewusst. Ein weiterer Mann lag leblos am Boden und ein dritter halb auf dem Bett. Kein Möbel, das nicht mehrere Schusslöcher aufwies. Die Bilder waren von den Wänden geballert, die Spiegel zerstört. Ihr Zitronenbäumchen hatten sie in der Mitte durchgebrochen. Allein die hässliche Tiffanylampe über dem Bett war unversehrt. Absurd, aber sie ärgerte sich über diese Ungerechtigkeit.
    „Geh raus, Jo!“
    Nicholas’ Anweisung brach herrisch durch die

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