Nybbas Nächte
verlogene Ruhe. Er stand neben dem letzten noch lebenden Kerl, den Elias mit nach hinten gebogenen Armen festnagelte. Der hünenhafte Einbrecher regte sich nicht. Auf dem Boden bildeten mehrere Pistolen und Messer einen Haufen Terror. Die Männer waren tatsächlich Kopfgeldjäger gewesen, ein Rudel bis an die Zähne bewaffneter Killer. Sie presste sich an all dem vorbei, blieb jedoch im Türstock stehen. Alleinsein ging jetzt überhaupt nicht.
„Unten ist keiner mehr“, erklärte Nicholas, ohne sie anzusehen. Sein Blick fixierte den Gefangenen. „Geh runter. Bitte.“
Er legte den Kopf schief und lächelte teuflisch, als hätte er sie im gleichen Moment vergessen. Aus seinem Gesicht strahlte wildes Verlangen. Sie sollte tun, was er sagte und nach unten gehen. Was immer hier geschehen würde – sie wollte es nicht sehen. Aber ihre Beine waren starr und bleiern. Ihre Augen weigerten sich, die Szene freizugeben.
Elias ließ den Hünen los, Nicholas stieß ihn herum und mit dem Rücken gegen die Wand. „Was wolltest du hier?“, zischte er ihm ins Gesicht. „Wer schickt dich?“
Es folgte keine Antwort, nur heftige Atemzüge. Die Augen des Mannes waren hart und kalt wie Steine. Joanabegriff, was Elias und Nicholas vermutlich längst wussten. Die Einbrecher waren Inanen, ihres Willens beraubte Menschen. Werkzeuge. Sklaven eines Dämons. Wenn Nicholas diesen Inanen nicht manipulieren konnte, musste der Herr des Mannes mächtiger sein als der Nybbas.
Ein Krachen riss sie aus ihren Gedanken. Von Nicholas’ Faust getroffen schlug der Kopf des Hünen gegen die Wand. Er wehrte sich nicht, hob nicht einmal die Arme.
„Wer schickt dich?“, wiederholte Nicholas.
Seine nächsten Schläge platzierte er auf Höhe von Magen und Leber. Der andere keuchte, stöhnte, gab jedoch kein Wort preis. Nicholas zog die Smith & Wesson aus seinem Hosenbund, zielte und drückte noch in der Bewegung ab. Blut sprühte aus dem zerschossenen Knie, der Mann schrie auf und sein Bein gab unter ihm nach. Nicholas presste ihn mit der freien Hand an der Kehle gegen die Wand und verhinderte, dass er fiel. Der Mann röchelte, seine Adern im Gesicht schwollen an. In Nicholas’ Augen glänzte sadistische Lust. Er hielt dem Killer den Revolver an die Nase.
„In der Trommel sind noch zwei Kugeln, du Held. Sag mir, wer dich schickt, und die nächste beendet dein Leben. Schweig, und sie wird sehr, sehr wehtun. Du wirst noch Stunden um die letzte betteln.“
„Fick dich.“ Der Kerl schloss die Augen, als wäre es ihm egal.
In Nicholas’ Knurren vibrierten zugleich Wut und Freude, als er abdrückte. Blut spritzte, die Kugel schlug in die Zimmerdecke ein. Der Mann brüllte, versuchte mit den Händen die fleischigen Fetzen zu berühren, die zuvor seine Nase gewesen waren. Sein Geschrei versoff in einem Gurgeln. Nicholas schleuderte ihn quer durchs Zimmer, setzte ihm nach und warf ihn neben dem Bett zu Boden. Joana biss sich vor Schock in einen taub gewordenen Finger. Nicholas setzte sein Knie zwischen den Schulterblättern des Mannes auf und griff ihm ins Haar, riss den Kopf hoch. Dann brachte er sein Gesicht nah an das des anderen. Die blutverschmierten Züge des Killers waren leer, in Nicholas’ dagegen stand bösartiger Zorn. Seine Nasenlöcher weiteten sich, als er den Blutgeruch einsog.
Er genoss, was er tat.
Seine Lust pulsierte in der Luft und verschlang den Sauerstoff. Joana griff an den Türrahmen. Ihr schwindelte. In ihrem Inneren verwischten zwei Bilder, die sich nicht vereinen durften. Es war immer alles sorgsam voneinander getrennt gewesen. Nicholas, der Mann, den sie liebte und der sie liebte, auf der einen Seite. Der Mann, der zärtlich war, witzig und wortgewandt. Auf der anderen Seite stand der Dämon; das wild kämpfende Monster mit seiner animalischen Blutrunst. Es war Teil von ihm und doch etwas völlig Gegensätzliches. Wie zwei Seelen in einer Brust. Bis zu diesem Moment. Diesmal hatte er seinen Menschenkörper nicht fallen lassen, nicht im Leib des Dämons gekämpft.
Ein Dämon war er dennoch.
Nicholas schlug den Kopf des Mannes auf den Parkettboden, zog ihn wieder hoch. Er beobachtete das aus den Wunden sprudelnde Blut mit einem faszinierten Lächeln.
„Mehr? Willst du mehr? Es tut nichts zur Sache, was du willst. Ich will mehr.“
Dieser Moment zerstörte alle Illusionen.
Nicholas war ebenso ein Monster wie der Nybbas in ihm. Zum ersten Mal wurde Joana in aller Deutlichkeit bewusst, dass die Grenze, die sie
Weitere Kostenlose Bücher