Nybbas Nächte
verkaufen, als sie war, aufgegangen. Die Welt der Paranormalität, so hatte Choskeih es genannt. Nicholas musste sich verkneifen, seine Abneigung offen zu zeigen. Wie weit war es gekommen, wenn schon reinblütige Dämonen das Wort ‚Hölle‘ nicht mehr in den Mund nehmen wollten?
Joana und Demjan waren inzwischen zu einer Bestandsaufnahme an Demjans Fuhrpark gekommen und bedauerlicherweise war dies ein Thema, mit dem man Joana imponieren konnte, besonders, wenn er die geländetauglichen Quads in der Garage bedachte.
Doch plötzlich zuckte sie zusammen, da sich ein wütender Schrei und metallenes Scheppern aus dem Nichts erhob. Nicholas lokalisierte die Geräusche rasch, sie kamen aus dem hinter Lamellen versteckten Belüftungsrohr in der Wand.
„Sie müssen entschuldigen.“ Demjan Choskeih sprach leise und hatte sichtlich Mühe, sein Schmunzeln zu verbergen, als die Laute zu einem Murmeln und leisem Klirren abebbten. „Ich bin sehr stolz auf das Rohrsystem, das alle Räume permanent mit frischer Luft versorgt. Leider hat es eine winzige Schwäche. Die Küche befindet sich gleich unter diesem Arbeitszimmer. Die Gerüche werden durch die Richtung der Luftströme zwar nicht hergeleitet, aber die Geräusche. Daher bevorzuge ich es, ab dem späten Nachmittag, wenn die Köche ihre Arbeit aufnehmen, in eines meiner anderen Büros zu gehen.“
„Oh.“ Joana schien erleichtert. „Ließe sich das Problem nicht durch einen Umbau lösen?“
„Das wäre möglich. Allerdings ist es höchst aufschlussreich, was in der Küche besprochen wird, obwohl ich natürlich nur die lautstarken Gespräche verfolgen kann. Sie kennen doch sicher die alte Schiffsregel, Joana. Keine Meuterei, die nicht ihren Weg durch die Kombüse nimmt.“
Nicholas registrierte zufrieden, wie der hehre Glanz des Russen in Joanas Augen erste Fettflecken bekam. Dass er seine Leute heimlich belauschte, gefiel ihr nicht. Nicholas dafür umso besser.
11
T
omte, dessen vollständiger Name Tomte Raik Svalanson lautete, was außer ihm aber niemanden interessierte, floh. Er duckte sich unter einer nach ihm geworfenen Metallschüssel, huschte durch die Tür und warf sie hinter sich zu. Nichts wie weg hier! Wenn der irre Koch ihn erwischte, würde er ihn filetieren wie einen seiner glupschäugigen Fische. Und zwar bei lebendigem Leibe. Unangenehm.
Auf den blanken Böden geriet Tomte mit dem abgetretenen Profil seiner Schuhe ins Rutschen, dennoch rannte er mit unverändertem Tempo durch die Gänge. Er bog mal links und mal rechts ab, stieß zwei junge Frauen zur Seite, die auf dem Weg in die Architekturbüros waren, und stoppte erst, als er sich in der Nähe der Schlafräume im oberen Sektor des Berges befand. Hier war er sicher. Hoffentlich.
Zufrieden mit sich schnupperte er an dem geräucherten Schinken, der die Größe eines Footballs hatte, weshalb er ihn wie einen solchen unter den Arm geklemmt trug. Der Hauch einer üblen Vorahnung mischte dem salzigen Duft eine unangenehme Note bei, doch er schüttelte die Sorge ab. Der dümmliche Koch war noch kleiner und magerer als Tomte, dafür leider gut mit Messern aller Größen ausgestattet. Er würde den Diebstahl in ein paar Stunden vergessen haben. Im schlimmsten Fall verriet er ihn, doch auch dies hatte nie ernsthafte Konsequenzen. Der Boss hatte meist Verständnis für Tomte. Viel mehr, als es normal gewesen wäre. ‚Junge‘, nannte er ihn, dabei war Tomte schon dreißig und damit allenfalls zehn Jahre jünger als der Boss aussah. Dreißig Jahre. Eine lächerliche Zeitspanne musste dies für einen Dämon darstellen, doch Skröggandi hatten den Zenit ihres Lebens in diesem Alter bereits überschritten, wurden sie doch selten älter als fünfzig.
Tomtes Drang, verlockende Dinge an sich zu nehmen, war im Rudel bekannt. Die meisten fühlten sich zwar gestört, doch solange er nur Gegenstände stahl, die in ausreichender Menge vorhanden waren, machte sich niemand viel daraus. Sie nannten es Kleptomanie. Eine traurige Folge dessen, dass er ohne ein besonderes Talent war.
Ach, wenn die wüssten!
Er schlenderte den zu dieser Tageszeit verlassenen Gang entlang und pfiff eine muntere Melodie durch die Zähne. Außer ihm waren alle bei ihrer Arbeit. Auch er sollte sich langsam wieder in die Nähe des Bosses begeben, falls dieser seine Dienste in Anspruch nehmen wollte. Doch zuvor machte er einen Stopp an einer Tür, die für jedermann wie alle anderen Türen aussehen musste. Nur nicht für ihn. Er drückte
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