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Nybbas Nächte

Nybbas Nächte

Titel: Nybbas Nächte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Benkau
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sie abends gern, so wie Joana. Die Finger der Frau krallten sich so fest in das Buch, dass die Seiten zerknitterten. Grüne Augen starrten ihm aufgerissen und wilde Panik widerspiegelnd entgegen. Doch kein Laut verließ ihre Lippen, als er die Hände ausstreckte und sie um ihr schmales Gesicht schmiegte. Kein Laut, als er die Finger bewegte, sodass es aussehen musste, als würde er sie in ihr blondes Haar graben. Kein Laut, als er sein dämonisches Gesicht dem ihren näherte, fast wie zum Kuss. Sein Wille hielt sie und durch die halbexistente Präsenz seines Daseins als Schatten konnte er ihre Gefühle an sich nehmen. Sie flossen in ihn über, ungehalten und in Schüben. Wohlig schauderte er unter den nährenden Emotionen. Entsetzen, Sorge, vielleicht um ihre Familie, die im Haus nichts von alldem mitbekam, Todesangst. Die Gefühle krochen durch sein Inneres und legten sich wie eine warme, weiche Decke über eisigen Hunger. Er zwang sie näher an sich, schmiegte ihre willenlosen Glieder an seine Brust, spürte ihr Herz rasen und nahm intensiver, bis sie resignierte. Das Buch fiel mit einem Poltern auf die Holzdielen der Veranda. Der Gedanke, es wäre Joana, die sich in seinen Armen aufgab, erregte ihn wie jedes Mal und beschämte ihn zugleich. Er prägte sich das Gesicht der Isländerin ein, damit Joanas Bild vor seinem inneren Auge die Konturen verlor. Schließlich drückte er das Gesicht in ihr Haar, roch ihren weiblichen Duft. Er nahm ihr die Erinnerung und ließ sie fallen wie eine leere Verpackung, die sein Abendessen warmgehalten hatte. Krachend schlug ihr Körper auf, was im Haus Stimmen weckte. Schritte näherten sich, Besorgnis schwängerte die Luft. Köstlich. Doch für heute hatte der Nybbas genug. Er verschwand ungesehen.

    Joana lugte um den Türrahmen. Der Gang lag leer vor ihr, auch von Tomte, der in der Nähe bleiben wollte, war nichts zu sehen. Wie zuverlässig der junge Mann doch war. Der Steinboden war kalt unter ihren bloßen Füßen, aber ginge sie jetzt ins Zimmer zurück, um ihre Stiefel zu holen, würde sie sich nicht mehr trauen, ein weiteres Mal hinauszugehen. Mit einem kräftigen Ruck zog sie die Tür hinter sich zu und ging den Gang entlang. Erstaunlich, wie dekadent dieser Bereich der unterirdischen Festung eingerichtet war. Ins Gemäuer waren kleine Nischen eingelassen, in denen Statuetten standen, die sie anstarrten. Mit altmodischen Öllampen bestückte Kandelaber spendeten Licht, hier und da schmückte eine Tapisserie die gewölbten Wände. Türen gab es nur wenige, sie klopfte mit den Fingerknöcheln verhalten gegen jede, bekam jedoch nie Antwort.
    Plötzlich ertönten Schritte. Hinter der nächsten Biegung war jemand. Lauschend blieb sie stehen und vernahm, dass auch die Person jenseits der Kurve verharrte. Sie hörte ein leises Zischen, einen Moment Totenstille und dann ein schmerzerfülltes Stöhnen und Würgen sowie ein klatschendes Geräusch, als schlüge ein Körper auf den Steinfußboden. Einen Teil von ihr zog es um die Kurve, denn dort passierte zweifellos etwas Schlimmes. Sie war Ohrenzeuge. Verpflichtete sie das nicht dazu, nachzusehen, ob sie helfen konnte?
    Der weit größere Teil von Joana wusste allerdings instinktiv, dass sie diejenige war, die Hilfe brauchte.
    Langsam und keinerlei Geräusch verursachend trat sie zurück. In einer seit ihrer Kindheit in Fleisch und Blut übergegangenen Bewegung tastete sie ihre Tasche ab. Das Asthmaspray war da, ansonsten nichts. Die Pistole befand sich in der Manteltasche, da lag sie mal wieder gut. Das Stöhnen ging in ein Röcheln über und verlor sich schließlich in heiserem Knurren. Au Backe, sie konnte sich vorstellen, was dort vor sich ging. Ihre rückwärts gerichteten Schritte wurden schneller, doch die Tür zu ihrem Zimmer war immer noch mehrere Meter entfernt.
    Ein raues Kläffen ließ sie herumfahren und augenblicklich machte ihr Herz einen Satz in ihre Kehle und schnürte ihr den Atem ab. Zwischen ihr und der rettenden Tür standen zwei Fuchsdämonen. Hatte sie zuvorbezweifelt, dass diese Wesen in der Lage waren, Ponys zu reißen, wurde ihr der Irrtum sofort bewusst. Zwar besaßen sie das Aussehen von Füchsen, waren jedoch ungleich größer und erinnerten an riesige Hunde oder sogar Wölfe. Das zottige, graubraune Fell und die messerscharfen, gefletschten Zähne verstärkten diesen Eindruck. Trotz aller Aggressivität schienen die Viecher zu grinsen. Sie trat mehrere Schritte von den beiden zurück, obwohl sie wusste,

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