Nybbas Nächte
dass um die Ecke mindestens eine weitere solche Kreatur wartete. Verdammt! Sie hatte ihr ganzes Leben Respekt vor Hunden gehabt. Irgendeine innere Stimme hatte ihr immer zugeflüstert, dass sie eines Tages gebissen werden würde. Instinktiv griff sie nach einer Statuette, um zu verhindern, dass dieser Tag heute sein würde. Passenderweise besaß das Ding die Form eines Mannes mit Fuchskopf, sie achtete aber weniger darauf, dafür mehr auf das Grinsen der langen Raubtierschnauzen. Diese Zähne wollte sie nicht in ihrem Fleisch spüren. Die Biester sahen nicht aus, als wollten sie nur spielen. Ein Kratzen auf dem Steinboden verriet, dass nun auch der dritte Fuchs um die Ecke gekommen war. Sie warf einen Blick über die Schulter. Dieses Tier war grau und sein wolliger Pelz war feucht und von Blutschlieren verklebt, als wäre es eben erst geboren worden. Oder hatte es sich gerade transformiert? Es schien geschwächt, denn es schwankte leicht und schüttelte hin und wieder den Kopf, als müsste es seine Gedanken klären. Gedanken?
„Hört mal, Leute!“ Joana hatte keine Ahnung, ob die Halbdämonen in ihrem Tierleib die menschliche Sprache verstanden. Sie konnte ja nicht einmal ein Wort Isländisch bieten, also versuchte sie es auf Englisch.
„Ich bin bei eurem Boss zu Gast, ich glaube, er würde es nicht gern sehen, dass ich mich von euch ernsthaft bedroht fühle. Ich schlage vor, ihr dreht euch einfach um, zieht eurer Wege und wir vergessen das Ganze, okay?“
Der Plan lautete, keine Angst zu zeigen. Leider klang ihre Stimme nicht ansatzweise so lässig, wie sie es gern gehabt hätte. Stattdessen bebte sie. Oh, warum war sie nicht einfach in dem Zimmer geblieben?
Die beiden braunen Füchse kamen näher, einer gab ein trockenes Kläffen von sich, fast als würde er sie auslachen. Als der erste Fuchs auf sie zusprang, stürzte sie herum und warf sich dem einzelnen, der ihr schwach erschien, entgegen. Sie brüllte ihn an, ein verzweifelter Versuch, das Tier zu erschrecken. Tatsächlich zuckte es zusammen, legte die Ohren an den Kopf und zog den Schwanz zwischen die Beine, aber sogleich verzog sich sein Maul zu einer Drohgebärde. Sie nutzte den Moment des Zögerns und rannte an ihm vorbei. Er schnappte nach ihr. Zwar gelang es, den Zähnen auszuweichen, doch er erwischte den Bund ihres Pullovers. Joana schlug mit der Statuette zu und traf die Schnauze. Das Heulen schallte wie ein Geisterschrei durch die langen Korridore und warf Echos. Wolle riss und Joana rannte um die Kurve und stieß prompt mit jemandem zusammen, der massige Arme um sie schloss. Für einen Augenblick war ihr egal, wer sie an seine Brust presste. Er hatte weder Krallen noch Reißzähne. Das genügte fürs Erste.
Der donnernde Bass, der darauf einem Hurrikan gleich durch den Flur dröhnte, machte unmissverständlich klar, dass Demjan ihr Retter war. Er stauchte ihre Verfolger auf Isländisch zusammen, bis diese panikerfüllt das Weite suchten. Erst nachdem sie mit rutschenden Pfoten um die Ecke geschossen waren, wurde sich Joana ihrer peinlichen Lage bewusst. Sie hing immer noch mehr in seinen Armen, als dass sie aufrecht stand. Mit vor Scham glühenden Wangen trat sie rückwärts, räusperte sich angestrengt und nahm vorsichtshalber einen Zug von ihrem Asthmaspray.
„Verzeihung“, stammelte sie, sich im gleichen Moment nach dem Grund fragend. Sie hatte schließlich nichts falsch gemacht. Oder doch?
„Ich muss um Verzeihung bitten.“ Demjan wirkte zerknirscht, was an diesem herrischen Hünen ein seltsames Bild abgab. „Ich hätte die Jugendlichen besser im Auge behalten sollen. Gerade wollte ich zu dir kommen, um dich vor ihren frechen Spielchen zu warnen.“
„Freche … Spielchen?“ Joana wären für den Angriff passendere Synonyme eingefallen. Mordanschlag zum Beispiel.
„Sie hätten dich gewiss nicht verletzt. Es sind Rüpel, ganz besonders, wenn sie ihren Tierkörper annehmen, aber sie kennen ihre Grenzen.“
„Nun, mit meinen Grenzen hatten sie ein Problem.“ Das Atmen fiel ihr immer noch schwer.
Demjan zuckte in einer entschuldigenden Geste mit den Schultern. „Ich werde dafür sorgen, dass so etwas nie wieder vorkommt. Wo ist überhaupt dieser Nichtsnutz von Tomte?“
„Das wüsste ich auch gerne. Er wollte in der Nähe bleiben. Ich habe nach ihm gesucht.“
Er raufte sein akkurat geschnittenes Haar, bis es zu Berge stand, schüttelte dann den Kopf und sah Joana skeptisch an. „Was wolltest du denn von
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