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O du Mörderische

Titel: O du Mörderische Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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verhört.«
    »Glauben sie, es hat sie jemand umgebracht?«
    »Das vermute ich.«
    »Gütiger Gott!«
    »Bonnie Blue!« hörte ich jemanden rufen.
    »Ich muß los. Ich lege die Jacke für dich beiseite. Tschüs.«
    |80| »Tschüs. Und danke.« Ich legte den Hörer auf und dachte darüber nach, was Bonnie Blue mir gerade erzählt hatte. Officer Mitchell
     hatte also schon alles über Mercy gewußt, als sie ins Krankenhaus gekommen war und mich zur Besichtigung der Wand in Claires
     Wohnung mitgenommen hatte. Oder zumindest war sie informiert gewesen, daß es hinsichtlich Mercys Tod gewisse Verdachtsmomente
     gab.
    Ich trug meinen Teller, mein Glas und meine Serviette in die Küche, wo Claires Cola-Glas nach wie vor in der Spüle stand.
     Armes verängstigtes Mädchen, dachte ich wieder und wünschte mir, es gäbe jemanden, mit dem ich über das, was passiert war,
     reden könnte. Jemand, der Claire so in Erinnerung hatte wie ich. Und plötzlich wußte ich, wer dieser Jemand war; diese Person,
     die Claire sehr gut gekannt hatte.
    Ich warf einen Blick auf die Uhr und griff erneut zum Telefonhörer.
    »Robert Alexander High School«, meldete sich Lois Aderholt.
    »Lois? Hier ist Patricia Anne. Wie geht es Ihnen?«
    »Gut, Patricia Anne. Wir müssen nur noch eine Woche durchhalten, dann haben wir Weihnachtsferien. Und wie geht’s Ihnen?«
    »Gut. Lois, ist Frances Zata da?«
    »Ich glaube schon. Ich versuche gleich mal, Sie zu verbinden. Kommen Sie uns doch mal besuchen, Patricia Anne.«
    »Ich bin vielleicht ohnehin in Kürze in der Gegend.«
    »Fein. Bis bald also.«
    In der Leitung klingelte es, und dann war Lois wieder am Apparat. »Ich werde sie ausrufen lassen, Patricia Anne.«
    »Danke.« Ich lauschte Weihnachtsliedern vom Band, während ich wartete.
    An der Robert Alexander High School hatte ich die letzten fünfundzwanzig Jahre meines Berufslebens unterrichtet. Es war ein
     fensterloses Gebäude, das nur wenige Innenwände besaß. |81| Das sollte die Flexibilität fördern, die zur Individualität in der Gemeinschaft führen würde. Oder irgend etwas in der Art.
     Welche Erziehungsparolen auch immer in besagtem Jahr gerade in waren. Helle Teppiche, Poster und Bücherregale empfingen uns,
     und man setzte voraus, daß wir es uns so schön machten, daß wir gar kein Bedürfnis hatten, nach draußen zu schauen, wo sich
     im übrigen ein wundervoller Wald und ein kleiner See befanden. Sanfte klassische Klänge berieselten einen in der Bibliothek,
     die sich ganz im Inneren befand.
    Für manche von uns war das perfekt. Wir marschierten in diesen Backsteinklotz und vergaßen unsere Sorgen an der Tür. Für andere
     war es eine Qual. Wenn ich mich recht entsinne, machte der Ausdruck »lebendig begraben« die Runde. Lehrer und Schüler, die
     sich so fühlten, wurden glücklicherweise schnell an andere Schulen versetzt.
    Frances Zata war dort von Anbeginn an als Beratungslehrerin tätig gewesen und liebte die Schule genauso wie ich. Als ich beschlossen
     hatte, in Ruhestand zu gehen, hatte sie mich zum Mittagessen eingeladen und versucht, es mir auszureden. »Was willst du denn
     dann mit deiner Zeit machen?« hatte sie mich gefragt. »Alles, wonach mir gerade der Sinn steht«, hatte ich geantwortet.
    »Frances Zata hier.« Im Hintergrund konnte ich es scheppern hören, als würde jemand Besteck in eine Schublade fallen lassen.
    »Was um alles in der Welt machst du da gerade?«
    »Hi, Patricia Anne. Ich bin in Kokon drei mit einem Pappkarton voller ›Sag einfach nein‹-Anstecker, die irgendeine Drogenhilfsorganisation
     geschickt hat. Die sind so unmöglich, daß die Kinder sie vielleicht tatsächlich tragen. Warte mal einen Augenblick.« Es hörte
     sich an, als würde Klebeband aufgerissen. »Okay. Ich bin wieder da. Wie geht es dir? Bereit zur Rückkehr?«
    »Gibt’s eine Gehaltserhöhung?«
    |82| »Witzbold. Darauf kannst du hier lange warten. Ich hoffe, du rufst an, weil du mit mir am Samstag zu Mittag essen willst.«
    »Aber ja! Ich würde dich aber davon abgesehen gern schon früher sehen. Heute nachmittag oder morgen früh.«
    »Ist irgendwas passiert?«
    »Erinnerst du dich an Claire Needham?« fragte ich.
    »Clarissey Mae? Natürlich. Es geht ihr doch hoffentlich gut?«
    »Das ist eine lange Geschichte, und du mußt mir helfen, ein paar Lücken zu schließen.«
    »Nun, die Unterlagen des Jugendgerichts sind vertraulich. Aber etliches davon war auch in der Presse zu lesen. Kannst du morgen
     früh

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