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O du Mörderische

Titel: O du Mörderische Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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verhindern will, daß die Entführte mit der Polizei spricht«, überlegte ich
     laut.
    »Richtig.«
    »Was erklären würde, warum sie sich in Gefahr befindet.« An dieser Stelle verhedderte ich mich endgültig in meinen Gedankengängen.
    »Ganz genau. Wenn also ihre Schwestern Claire mitgenommen haben, haben sie es dann getan, um sie vor jemand anderem zu schützen
     oder um sich selbst zu schützen?«
    »Sie versuchten sie zu schützen.« Ich dachte an die Zwillinge, |158| an ihre unheimliche Ähnlichkeit mit Claire. Die Einheit, die sie bildeten, hatten sie erweitert, um ihre Schwester miteinzuschließen.
     Das war die einzige Möglichkeit gewesen, die Brutalität ihrer Kindheit zu überleben. Ich war mir dessen plötzlich ganz sicher.
     »Sie haben Claire geschützt«, wiederholte ich.
    Fred stand auf und besah sich den Baum. »Bitte sehr«, sagte er. »Möchtest du, daß ich lossause und noch ein paar Lichterketten
     besorge?«
    »Nein, der Baum sieht schön so aus.« Glynn, Lynn und Claire. Schwestern. Der Kloß, der sich in meiner Magengrube gebildet
     hatte, als ich Claire zusammengekauert auf meiner Treppe hatte sitzen sehen, und der noch dicker geworden war, als ich die
     Obszönitäten zu Gesicht bekommen hatte, die jemand auf ihre Wände gemalt hatte, begann sich ein wenig zu lösen. »Laß uns den
     Schmuck anbringen«, sagte ich.

|159| 10
    Ross Perrys Tod stand am nächsten Morgen auf der Titelseite. Neben dem Artikel war ein Foto von ihm zu sehen, das mindestens
     zwanzig Jahre alt sein mußte, da er darauf noch Haare hatte. Die Schlagzeile lautete MYSTERIÖSER UNFALL KOSTET KUNSTMÄZEN
     DAS LEBEN.
    Ich nahm die Zeitung mit zum Frühstück hinüber, um den Artikel zu Ende zu lesen. Schwesterherz hatte die Details ausnahmsweise
     einmal richtig mitbekommen. Dr.   James Butler und seine Frau Yvonne hatten gerade ihr Haus verlassen und waren dabei, in die County Road 17 einzubiegen, als
     sie einen Wagen auf sich zuschlingern sahen. Der plötzliche Sturz die Böschung hinab, das auf dem Dach liegende Auto und ihre
     Versuche, einen bereits toten Ross wiederzubeleben, wurden ganz so geschildert, wie Mary Alice es berichtet hatte.
    »Mr.   Perry«, so hieß es in dem Artikel weiter, »54, bekannter Kunstkritiker und Autor zweier Bücher über Kunstkritik, hat dem Verwaltungsrat
     des Kunstmuseums angehört und war auf allen Ebenen der Birminghamer Kunstszene aktiv. Er hinterläßt eine Schwester, Mrs.   Delia Reynolds aus New Orleans, Louisiana, sowie mehrere Neffen und Nichten.«
    Der Autor des Beitrags leitete über zu den Spekulationen des Sheriffs, ein Jäger könne möglicherweise für den Tod verantwortlich
     sein; dann wurde der Ortsvorsitzende der National Rifle Association zitiert, der versicherte, daß nicht Gewehre Leute umbrachten,
     sondern Menschen; und die Geschichte endete mit der Feststellung, daß die Kunstszene von Birmingham in den vergangenen Tagen
     mit dem Tod von Ross Perry |160| und Mercy Armistead, die ebenfalls Mitglied des Museums-Verwaltungsrates war und deren Tod noch untersucht wurde, zwei ihrer
     größten Stützen verloren habe.
    Ich legte die Zeitung hin und schüttete mir Cheerios in eine Schüssel, wobei ein paar von ihnen daneben landeten. Es mußte
     einen Zusammenhang geben zwischen Mercys Ermordung, Ross’ Tod, der sehr gut auch ein Mord gewesen sein konnte, und Claires
     Verschwinden. Ich verteilte die verstreut liegenden Getreideringe. Claire Cheerio, Ross Cheerio und Mercy Cheerio plazierte
     ich auf einer Linie oben. Was sie offenkundig gemeinsam hatten, war, daß jemand hinter ihnen her war, wenn man einmal davon
     ausging, daß Ross’ Tod kein Unfall war. Es konnte natürlich einer gewesen sein, aber was tat er da draußen auf dieser Landstraße,
     weit weg von Birmingham, unmittelbar vor Mercys Beerdigung? Ich ließ sein Cheerio oben. Was für Übereinstimmungen gab es noch?
    Mercy und Claire hatten einen Großvater und eine Großtante gemein. Ich schob zwei Cheerios an die Stelle von Amos und Liliane
     Bedsole. Und eine Mutter und Tante. Betty Bedsole bekam ihren Platz. Cousinen und Schwestern. Glynn und Lynn Cheerio gesellten
     sich zu der Bedsole-Gruppe. Aber nun lag Ross Cheerio ganz allein da oben. Die Bedsole-Familie war ein chaotischer Haufen
     und sehr wohl in der Lage, sich gegenseitig den Garaus zu machen, aber aus irgendeinem Grunde glaubte ich das nicht.
    Ich nahm eine weitere Handvoll Cheerios. Mercy und Ross hatten als Gemeinsamkeit das

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