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O du Mörderische

Titel: O du Mörderische Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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dem Heimweg Bubba aufsammeln. »Wann hast du zum letzten Mal Leute eingeladen?«
    Ich versuchte mich zu erinnern. »Im Januar?«
    »Da siehst du’s. Und das waren auch nur ein paar Paare aus der Nachbarschaft.«
    »Frances Zata war da. Du.«
    »Und die Erinnerung, so angenehm sie auch sein mag, verblaßt allmählich. Warum gibst du nicht wieder mal eine Einladung?«
    »Nach Weihnachten. Ich kann mir keine Putzfee leisten und Caterer wie du.«
    »Die sind nicht unabdingbar für eine nette Feier.«
    »Wie kommt es dann, daß du sie ständig engagierst?«
    »Ich sagte, sie seien nicht
unabdingbar
. Ich habe nicht bestritten, daß sie eine wundervolle Erfindung sind.«
    Wir fuhren eine Weile dahin, ohne etwas zu sagen. Ich war müde aufgrund meines unterbrochenen Schlafs in der Nacht zuvor.
    »Was hatten die Zwillinge zu erzählen?« fragte Schwesterherz. Sie lachte Tränen, als ich ihr berichtete, daß sie im Tutwiler
     residierten und die ganze Aktion gar nicht notwendig gewesen wäre.
    »Sie wissen, wo Claire ist.«
    |222| »Haben sie das gesagt?«
    »Nicht direkt. Sie sagten, sie hätten sich betrunken, weil sie Betty Bedsole aus der Bar hätten gehen sehen und sie so einen
     traurigen Eindruck gemacht habe.«
    »Mal eine neue Ausrede.«
    »Ihr Vater war ein Säufer, ihre Mutter starb an einer Überdosis Drogen und ihre Tante ist Alkoholikerin. Ich hoffe, sie vergessen
     das nicht.«
    »Haben sie irgendwas über Mercy gesagt?«
    »Daß sie eine Schlampe gewesen sei, weil sie keine Unterhosen trug.«
    »Wie bitte?«
    »Ich schwör’s.«
    »Und das sind die mondänen New Yorker Models?«
    »Ja, denk bloß.«
    Mary Alice kicherte. »Will Alec liebte es, wenn ich keine Unterhosen trug.«
    Ich steckte mir die Finger in die Ohren. »Das will ich gar nicht hören.«
    »Mein Gott, Maus«, brüllte Mary Alice. »Du bist vielleicht prüde!«
    Ich nahm die Finger wieder heraus. »Ich bin nicht prüde. Ich will nur nicht derartige Dinge über den armen toten Will Alec
     erfahren.«
    »Du willst also nicht wissen, daß er häufig glücklich war?«
    »Glücklich ja. Pervers nein.«
    »Spreche ich mit der Schwester, die den ›Kinsey Report‹ aus der Bibliothek geklaut hat?«
    »Und ich mit der, die sich mit mir darum gestritten hat?«
    »Ja, ich habe mich immer gefragt, warum du so gequiekt hast.«
    »Mama wäre tot umgefallen, wenn sie das erfahren hätte, meinst du nicht?«
    »Sei nicht albern. Vielleicht hat sie ihn ja selbst gelesen.«
    |223| Mary Alice überholte einen Pick-up, der am Rückfenster einen Weihnachtskranz befestigt hatte. Er blinkte wie Mrs.   Santas Oberteil.
    »Ich habe mir angesehen, was sie über Betty Bedsole in der Bibliothek haben. Und auch ein paar von Ross Perrys Kolumnen gelesen.
     Der hat Mercy, als sie ihre erste Ausstellung hatte, regelrecht fertiggemacht. Gnadenlos. Aber egal. Jedenfalls war er laut
     den Zeitungsausschnitten sowohl bei Bettys Debütball als auch bei ihrer Heimkehr aus Atlantic City zugegen. Bist du dir sicher,
     daß er schwul war? Vielleicht war er wahnsinnig in Betty verliebt, und sie hat ihm den Laufpaß gegeben. Das würde seinen Groll
     auf Mercy erklären.«
    »Vielleicht war er das. Ich weiß es nicht. Möglicherweise galt der Haß aber auch ihrem Vater.«
    »Samuel Armistead? Warum das?«
    »Erinnerst du dich an den Film ›Mer-men‹?«
    »Nein.« Ich schüttelte den Kopf.
    »An den erinnert sich niemand mehr.« Wir fuhren an einem weiteren Geländewagen mit Weihnachtskranz vorbei. Offenbar eine neue
     Mode. »Ross folgte Betty nach Hollywood und dachte, er würde dort der große Star. Samuel Armistead soll versprochen haben,
     ihm bei seiner Filmkarriere behilflich zu sein. Ross hat nämlich ständig bei irgendwelchen Theateraufführungen rund um Birmingham
     mitgewirkt. Und er war ziemlich gut. Ich habe ihn in Dickens’ ›Weihnachtsgeschichte‹ als Scrooge gesehen, und ich schwöre
     dir, wenn seine Perücke nicht ständig verrutscht wäre, hätte ich geweint.«
    Ich war verwirrt. »Was hat denn das nun mit ›Merlin‹ zu tun?«
    »Nicht ›Mer-lin‹. ›Mer-men‹. Männliche Seejungfrauen. Samuel Armistead verschaffte Ross eine Hauptrolle in dem wahrscheinlich
     schlechtesten Film, der je produziert wurde. Er ist so schrecklich, daß er bei Filmkursen immer noch als Lehrmaterial dient
     und auf Filmfestivals gezeigt wird. Es war |224| der einzige Film, an dem Ross je mitgewirkt hat.« Mary Alice blickte zu mir herüber. »Es wundert mich, daß du die

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