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Obduktion

Obduktion

Titel: Obduktion Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Cook
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entgegnete Vinnie ohne großes Bedauern.
    »Siehst du denn nicht, was zum Teufel ich hier versuche? «
    »Ja, ich sehe, dass du versuchst, beide Halsarterien freizulegen.«
    Kearas Hals war auf einen Holzblock gepresst und ihr Gesicht wies nach unten auf den Tisch. Ihr geöffneter Schädel enthielt kein Gehirn und zeigte zur Tür des Autopsieraumes. Das Hirn lag verlassen auf einem Schneidebrett am Fußende des Tisches.
    Vinnie stand am Ende des Tisches und hielt mit beiden Händen Kearas Kopf fest, um ihn ruhig zu halten, während Jack die Knochen stückchenweise entfernte. Es war ein langwieriger Prozess. Ziel war es, die Arterien freizulegen,
ohne sie zu beschädigen. Jack dokumentierte seine Fortschritte mit einer Serie von Digitalfotos.
    »Wenn du es nicht schaffst, den Kopf still zu halten, muss ich mir jemanden suchen, der es kann. Ich will hieraus keine Lebensaufgabe machen.«
    »Ist ja schon gut«, beschwerte sich Vinnie. »Ich hab schon verstanden. Ich hatte nur kurz an die Giants gedacht und mir Sorgen gemacht, dass sie es nicht in den Super Bowl schaffen. Dass sie ihn gewinnen, glaube ich schon gar nicht.«
    Jack schloss die Augen und zählte langsam bis zehn. Er wusste, dass er Vinnie ziemlich viel zumutete. Einen Körperteil festzuhalten, während Jack ihn langsam wegknipste, grenzte an Strafarbeit. Und er selbst hätte es gehasst, wenn er es tun müsste. Aber trotzdem musste es getan werden. Das Problem war, dass ihn sein emotionales Ungleichgewicht ungeduldiger machte, als er es sonst war.
    »Versuch mal, dich ein bisschen besser zu konzentrieren«, sagte er und gab sich Mühe, mit ruhiger Stimme zu sprechen. »Lass uns die Sache hier durchziehen.«
    »Alles klar, Chef«, antwortete Vinnie und verstärkte seinen Griff um den Kopf der Frau.
    Im Autopsieraum ging es jetzt zu wie in einem Bienenstock. Alle acht Autopsietische waren belegt, aber Jack bekam von all dem nichts mit. Er hatte jetzt eine vorläufige Diagnose von Kearas Todesursache, und seine Aufmerksamkeit war stark fokussiert. Die Angiografie zeigte eine fast vollständige Blockade beider Vertebralarterien, die die Hauptversorgung des Gehirns mit Blut übernahmen. Die Blockade schien nur sehr kurzzeitig gewesen zu sein. Aber wie war es dazu gekommen? Hatte sie eine natürliche Ursache, wie zum Beispiel eine Embolie, oder hatte es irgendeinen Zwischenfall gegeben, möglicherweise einen Unfall? Die Tatsache, dass die Blockade so
symmetrisch auftrat, war am schwierigsten zu erklären. Ein solcher Fall war einzigartig für Jack, aber er nahm es nicht mehr so schwer, dass er vor dem Entfernen des Hirns keine Vertebral-Angiografie durchgeführt hatte. Das war zwar ein Fehler gewesen, der sich aber letzten Endes nicht nachteilig ausgewirkt hatte.
    Zwanzig Minuten später beugte Vinnie sich vor, um Jacks Handwerkskunst zu betrachten. »Für mich sieht’s gut aus«, sagte er.
    Jack richtete sich zufrieden auf. Ihm bot sich ein Bild wie aus dem Anatomielehrbuch, aus dem Kapitel über die Vertebralarterien, besonders an der Schädelbasis. »Siehst du die bläulichen Verfärbungen und die Schwellungen an beiden Seiten der S-Kurve?«, fragte Jack. »Komm mal herum, damit du es besser sehen kannst.«
    Vinnie und Jack tauschten die Plätze. Von hier aus konnte Vinnie erkennen, wovon Jack sprach. An jeder Vertebralarterie gab es einen fünf bis sieben Zentimeter langen, bläulich verfärbten und angeschwollenen Abschnitt. Auf der rechten Seite etwas stärker betont als auf der linken. »Was meinst du, was es ist?«, erkundigte sich Vinnie.
    Jack zuckte die Schultern. »Sieht für mich ganz nach einem Unfall aus, aber weil es an ihrem Hals keinerlei Spuren dafür gibt, ist es ein bisschen eigenartig. Sie hatte ja wirklich keinerlei Anzeichen einer Verletzung. Außerdem ist es seltsam, wie symmetrisch das hier ist.«
    »Könnte es ein Schleudertrauma sein oder so was in der Art?«
    »Ich vermute schon, aber dann hätte im Untersuchungsbericht etwas über einen Autounfall stehen müssen. Tut es aber nicht. Ich glaube, da muss ich wohl selber ein bisschen nachhaken. Es muss eine Erklärung dafür geben.«

    »Und jetzt?«
    »Mehr Fotos«, antwortete Jack und griff nach der Digitalkamera. »Dann werden wir die Arterien entfernen und sie von innen untersuchen.«
    Zehn Minuten später konnte Jack die Gefäße neben das Gehirn auf das Schneidebrett legen. Sie sahen aus wie zwei kleine rote Schlangen ohne Köpfe, die irgendetwas Blaues verschluckt hatten. Die

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