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Oben ist es still - Bakker, G: Oben ist es still

Oben ist es still - Bakker, G: Oben ist es still

Titel: Oben ist es still - Bakker, G: Oben ist es still Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerbrand Bakker
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eine andere Wahl.« Ich gehe zum Fenster zurück und folge mit den Augen dem Deich, bis ich wieder den Leuchtturm sehe.
    »Nein.«
    Ich räuspere mich. »Ich hatte auch kaum eine andere Wahl.«
    Darauf antwortet er nicht. Er keucht immer noch ein bißchen.
    »Und jetzt ist Henk hier.« Ein Auto fährt über den Deich, sehr langsam. Seine Scheiben fangen das Sonnenlicht ein, es sieht aus, als würde die Sonne aus diesem Wagen herausscheinen. Einem Sonnenwagen. »Ich glaube, er wäre besser nicht hier«, sage ich dann.
    »Vielleicht nicht, nein«, sagt Vater.
    Der Sonnenwagen fährt in eine Kurve und verwandelt sich in ein Auto zurück. Ich drehe mich um.
    Vater fallen die Augen zu, aber seine Augäpfel bewegen sich noch hin und her. »Ich hab . . .«, sagt er. Danach ist es lange still. »Ich hab fast gar keinen Leib mehr.«
    Ich wußte es. Ich wußte, daß er das Gedicht gelesen hat.
49
    »Wie heißt du eigentlich?«
    »Greet.«
    »Ich bin Helmer van Wonderen.«
    Sie schaut mich frech an. »Ja, das weiß ich.«
    »Und wie heißt du mit Nachnamen?«
    »Was spielt das für eine Rolle? Ich bin einfach die Milchfahrerin.«
    »Gut«, sage ich. »In Ordnung.«
    Greet bückt sich und schraubt den Schlauch vom Milchtank ab. Sie trägt Sportschuhe, hebt aber nicht die Füße, als der letzte Rest Milch aus dem Tank und dem Schlauch fließt.
    »Was macht dein kleiner Freund?«
    »Mein kleiner Freund?«
    »Dein kleiner Knecht.«
    »Henk?«
    »Was weiß ich, wie er heißt.«
    »Wieso fragst du das?«
    »Nur so.«
    »Ich find die Frage etwas seltsam.«
    »Na ja.« Sie ist fertig, geht zum Fahrerhaus und klettert hoch. Der junge Milchfahrer sprang immer wie eine Katze, die Tür öffnete er im Sprung. Greet klettert,keucht, klammert sich fest, zieht sich hoch. Zweimal muß sie an der Tür zerren, bis sie richtig schließt. Ich kann Greet jetzt nicht mehr sehen, stelle mir aber vor, daß sie mit ihrem fetten Hintern so lange hin und her rutscht, bis sie richtig sitzt, und sich erst dann mit Schaltknüppel, Kupplung und Gaspedal beschäftigt. Als es in der Milchkammer schon wieder ein Weilchen still ist, fange ich an, den Tank und die Fliesen sauberzuspritzen.

    Jemand geht über die Weiden. In der Nähe der Bosman-Mühle. Ich stehe am Zaun und sehe ihn auf den Hof zukommen. Er wird immer größer und gleichzeitig immer kleiner. Es ist Ronald.
    »Es ist ganz naß da«, sagt er, als er mir gegenübersteht.
    »Das soll so sein, Ronald«, antworte ich.
    Ich kann mich nicht erinnern, daß es in der letzten Zeit viel geregnet hätte, und gestern abend berichtete das Fernsehen von Dünen- und Heidebränden als Folge der Trockenheit, aber die Wiesen bei der Mühle werden sumpfig. Hier gibt es weder Dünen noch Heide, hier ist Knickmarsch.
    »Wozu?«
    »Für die Vögel, die mögen das, nasse Wiesen.«
    »Ach so.« Er bleibt auf der anderen Seite des Gatters stehen.
    »Willst du nicht rüberklettern?«
    »Doch.« Er schaut sich um. »Schönes Wetter, was?«
    »Wie im Sommer.«
    »Ja. Aber es ist erst April.«
    »Was macht der Garten von deiner Mutter?«
    »Was ist mit dem?«
    »Wird er schön?«
    »O ja. Wo ist Henk?«
    »Henk ist nach Monnickendam, Zigaretten holen.«
    »Mit dem Rad?«
    »Ja.«
    »Rauchen ist schlecht, oder?«
    »Rauchen ist ganz schlecht. Aber auch schön.«
    »Warum ist er nicht mit dem Auto gefahren?«
    »Weil er keinen Führerschein hat.«
    »Hat er Angst?«
    »Ach was. Er ist gerade erst achtzehn.«
    »Wie alt bist du?«
    »Alt.«
    »Was hast du mit Henks Kopf gemacht?« Immer noch steht er auf der anderen Seite des Gatters.
    »Wie meinst du, Ronald?«
    »Mit den Fäden.«
    »Die hab ich gezogen.«
    »Mußte das nicht der Arzt machen?«
    »Ach nein, das ist ganz einfach.«
    »Aha.« Er macht ein etwas trübsinniges Gesicht und stellt einen Fuß auf das unterste Brett des Gatters.
    Ich packe ihn unter den Achseln und helfe ihm hinüber.
    »Jetzt geh ich nach Hause«, sagt er.
    »Gut.«
    »Erst noch kurz zu den Eseln.« Er überquert den Hof. Die Esel sind in der Nähe des Knechtshauses und kommen angetrabt, als sie ihn am Gatter stehen sehen. Ronald greift mit beiden Armen zwischen den Brettern durch und kratzt sie unterm Kinn. Als er damit fertig ist, laufen sie nicht gleich wieder weg, sondern benutzen das oberste Brett des Gatters, um sich selbst das Kinn zu scheuern. Langsam geht Ronald zur Straße; er tritt Steinchen vor sich her. Er schaut sich nicht mehr nach mir um.Es hat sich nicht viel getan, als ich Henk

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