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Oben ohne

Oben ohne

Titel: Oben ohne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Heeg
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während er verschiedene Suchbegriffe durchprobiert.
    »Da, es gibt mindestens zwei oder drei Anbieter im Netz.«
    Meine Stimmung kann das nicht wirklich aufhellen. Ich bin ja auch nicht super scharf darauf, eine Kompressionshose zu besitzen. Das wird garantiert eher unangenehm, so ein Ding zu tragen. Und zudem soll ich die Hosen fast ein halbes Jahr durchgehend anbehalten! Ich sitze da, wie bestellt und nicht abgeholt. Immer wieder kommen mir Tränen. Die Modelle, die Tino da so findet, machen es nicht besser. Die Variante, die Professor Feller vorgeschlagen hat, geht locker als sportliche Shorts durch. Aber diese Dinger hier sind echt der Gipfel und sehen aus wie aus dem Foltermuseum: knielang und garantiert bis knapp unter die Brust. Damit man so etwas überhaupt anziehen kann, ist die Hose vorne offen und mit Häkchen zu verschließen. Es hilft nichts, Tino schnappt sich das Telefon und ruft an. Er erklärt kurz den Zusammenhang, fragt nach Zahlungsmodalitäten und vor allem nach der Lieferzeit. Dann fängt er mit der Frau am anderen Ende der Leitung eine Diskussion über die passende Größe an. Dabei schaut er mich immer wieder fragend an. Ich verdrehe die Augen: Keine Ahnung, wie groß der Umfang meines Hinterns nach der Operation noch sein wird! Das wüsste ich auch gern. Schließlich fragt mich Tino, ob ich sie gerne hautfarben oder schwarz hätte. Natürlich schwarz, was für eine Frage! Nur dass ich bei diesem Riesenteil garantiert das nächste halbe Jahr in Jeans rumrennen darf. Tino bittet die Frau um eine kurze Bedenkzeit und legt auf.
    Als er mein Gesicht sieht, fragt er: »Ist die Hose nicht okay?«
    »Was heißt schon okay? Natürlich kann ich mir Schöneres vorstellen, als in so einem Teil rumzulaufen. Aber ich kann es ja nicht ändern. Hautfarben finde ich schrecklich, andererseits ist es unter hellen Hosen natürlich die einzige Möglichkeit. Das überfordert mich gerade.«
    »Und wenn wir einfach beide Farben bestellen?«
    »Weißt du, was so ein Teil kostet?« Mit Versandkosten wären wir locker 200 Euro los.
    »Das ist doch jetzt egal«, sagt Tino und grinst: »Hinterher können wir sie ja einfach bei Ebay verchecken. Wenn man die für Fettabsaugungen braucht, gibt es da sicherlich einen Markt.«
    Bei Ebay versteigern? Der kommt auf Ideen. Schließlich willige ich ein.
    Tino schnappt sich wieder den Telefonhörer, und ich gehe erst einmal in die Küche, um Teewasser aufzusetzen. So kompliziert habe ich mir das alles nicht vorgestellt. Hoffentlich geht das die nächsten Tage nicht so weiter.

    Auch am nächsten Morgen steht mir die Zahl wieder klar vor Augen: noch acht Tage. Wir sitzen in der Küche beim Frühstück. Es ist einfach toll, ohne Wecker aufzustehen. Ich gehe mit Tino kurz den heutigen Tag durch: Das EKG für die OP und der Fototermin stehen auf dem Programm. Zumindest der erste Termin sollte bis auf Wartezeiten problemlos verlaufen. Ich werde wieder mein Sprüchlein aufsagen, für was für eine Art von Eingriff ich das EKG benötige. Bleibt zu hoffen, dass mir nicht wieder das bloße Unverständnis entgegenschlagen wird. Der Fototermin ist erst heute Abend. Was da auf mich wartet, weiß ich nicht so genau.
    Ein paar Straßen entfernt ist das Fotogeschäft, an dem ich schon oft vorbeigegangen bin. Die beiden Fotografen, ein Ehepaar aus Frankfurt, haben immer wieder auch schöne Aktaufnahmen im Schaufenster stehen. Der Gedanke, ich könnte den Ist-Zustand auf Bildern festhalten, kam mir irgendwann und hat mich seither nicht mehr losgelassen. Allerdings fehlte mir lange der Mut. Kurz vor Mallorca war dann klar, dass es jetzt oder nie sein musste. Ich habe einmal tief Luft geholt und bin reingestapft. Und die Fotografin hat sehr verständnisvoll auf meine Geschichte und mein Vorhaben reagiert. »Ich habe auch schon eine schwere Erkrankung hinter mir. Ich kann nachempfinden, wie es Ihnen geht«, sagte sie. Außerdem erzählte sie mir, dass sie schon viele Frauen fotografiert hat, die aufgrund einer Brustkrebserkrankung kurz vor der OP zu ihr kamen.
    Ich bin ja zum Glück nicht erkrankt, schoss es mir gleich durch den Kopf. Wir vereinbarten einen Termin für den heutigen Abend. »Das machen wir nach Ladenschluss, damit wir nicht gestört werden. Mein Mann wird mir assistieren, das ist doch okay für Sie?«
    Der Tag vergeht ohne besondere Vorkommnisse, das EKG ist erledigt und unauffällig, ich bin fit für die Operationen. Mittlerweile ist es kurz vor sechs. Ich trage seit Stunden keine

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