Obsession
absurd
war.
«Ich dachte, ich rufe an und schaue, wie es dir geht.»
«Ach ... nicht schlecht. Und dir?»
|308| «Gut!» Es entstand eine Pause. «Ich wollte nur sagen ...»
Nein. Wünsch mir kein «frohes neues Jahr». Bitte nicht.
«... tja, du weißt schon. Ich denke an dich.»
Ben merkte, dass er einen Kloß im Hals bekam.
«Bist du noch da, Ben?»
«Ja.»
Im Hintergrund brüllte jemand. Gelächter brach aus. Er konnte hören, wie der Name seines Vaters gerufen wurde. Es klang nach
seiner Stiefmutter.
«Ich muss wieder», sagte sein Vater, legte aber nicht sofort auf. Wer auch immer seinen Namen rief, wurde lauter. «Pass auf
dich auf.»
Ben wollte etwas sagen, doch da war der Hintergrundlärm der Party schon dem Wählton gewichen.
Er legte den Hörer auf. Draußen wurden Feuerwerkskörper abgeschossen. Es konnte nicht weit nach Mitternacht sein. Er rieb
sich die Augen und kehrte dann zurück zu seinem Wodka.
Das neue Jahr lief so weiter, wie das alte aufgehört hatte. Er arbeitete und ging nach der Arbeit etwas trinken und kam dann
zurück in ein leeres Haus. Der Januar war schon immer der Monat gewesen, den er am wenigsten mochte. Er sagte sich, dass er
ihn einfach überstehen musste. An einem verregneten Sonntag fiel ihm beim Videoschauen ein, dass eigentlich sein Besuchstag
war. Er hatte es vergessen. Es bedrückte ihn, aber nicht weil er noch irgendeine Hoffnung hatte, dass Cole ihm den Umgang
mit Jacob erlauben würde, sondern weil es bedeutete, dass er die Dinge bereits schleifenließ. Es war ein Vorgeschmack darauf,
wie es in Zukunft sein würde.
Er fragte sich, ob er nicht aufhören sollte, sich an Strohhalme |309| zu klammern. Vielleicht sollte er auf Usherwood hören und seine Bestrebungen auf etwas eher Erreichbares wie sein Recht auf
Umgangskontakt richten. Doch sofort meldeten sich wieder die Gegenargumente. Cole würde seinen Sohn niemals teilen, ganz gleich,
was man ihm sagte. Solange Jacob bei ihm war, würde er weiterhin tun, was ihm gefiel, bis er schließlich etwas tat, was selbst
die Behörden nicht ignorieren konnten.
Ben hoffte nur, dass Jacob den unbeugsamen Willen seines Vaters so lange überleben würde.
Eigentlich hatte er damit gerechnet, gleich im neuen Jahr von Ann Usherwood zu hören, doch der Februar begann, ohne dass sie
sich gemeldet hatte. Er war schon zu dem Schluss gekommen, dass Sandra Coles Vergangenheit eine weitere Sackgasse war, als
die Anwältin ihn eines Morgens anrief.
«Wie schnell können Sie bei mir in der Kanzlei sein?», fragte sie.
Ben war im Atelier und wollte gerade mit Aufnahmen beginnen. Sein erster Impuls war, sie abzublasen, doch dann dachte er an
Zoe und entschied sich dagegen. «Nicht vor morgen. Haben Sie etwas herausgefunden?»
«Genug, um zu wissen, dass die Überprüfung durch die Behörden nicht so gründlich war, wie sie hätte sein sollen», sagte sie.
«Sandra Cole hat eine zwölf Jahre alte Vorstrafe wegen Prostitution und Drogenvergehen. Sie war schon einmal verheiratet,
und zwar mit einem Zuhälter und Drogendealer namens Wayne Carter. Damals hat sie in Portsmouth gelebt, es war also eine andere
Stadtverwaltung dafür zuständig, und nach der Scheidung hat sie ihren Geburtsnamen wieder angenommen. Selbst wenn die Sozialbehörden
hier ihre Vergangenheit gründlich überprüft hätten – was sie offensichtlich |310| nicht getan haben –, hätten sie es leicht übersehen können.»
Aufregung und Unglaube fegten Bens Depression davon. Aber Usherwood war noch nicht fertig.
«Sie haben allerdings noch mehr übersehen», fuhr sie fort. «Sandra und Wayne Carter hatten ein Kind, ein Mädchen. Es starb
durch elterliche Misshandlung, als es achtzehn Monate alt war.»
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|311| Kapitel 18
Eine Weile hatte der Regen aufgehört, doch als die ersten Gestalten aus dem Pub trotteten, begann es wieder zu schütten. Es
waren vor allem Männer. Sie schlugen die Jackenkragen hoch und zogen gegen den vom Wind gepeitschten Regenguss die Köpfe ein.
Offenbar hatten sie lieber klatschnasse Haare und durchweichte Schultern, als einen Schirm zu benutzen und damit in Verdacht
zu geraten, Weicheier zu sein.
Ben beobachtete, wie die letzten der Nachmittagsgäste davoneilten. Die Straße wirkte wieder wie ausgestorben. Er kurbelte
das Seitenfenster ein wenig herunter, damit die beschlagenen Fenster frei wurden. Ein feiner Sprühregen wehte herein und ließ
ihn erzittern.
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