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Obsession

Titel: Obsession Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Beckett
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noch einmal mit dem Fuß an und stand auf. Unter dem dünnen weißen Hemd hatte er eine Gänsehaut bekommen. Er ging hinein. Die
     Vorderseite des Hauses zeigte nach Westen, sodass es im Wohnzimmer noch hell war. Das einfallende Licht zeichnete ein Abbild
     des Fensters schräg auf den Teppich. Ben setzte sich auf den Boden, schloss die Augen und hielt sein Gesicht in den letzten
     Sonnenschein des Tages.
    Durch seine Lider schimmerte es, als wäre er vollständig von einem roten Lichtfeld umgeben. Er versank in dieses leuchtende
     Rot. Es war Freitagabend. Er wollte nicht daran denken, was er mit dem Rest des Wochenendes anfangen sollte. Oder mit den
     darauffolgenden. Die Wochenenden, die er mit Sarah und Jacob verbracht hatte, kamen ihm in der Erinnerung paradiesisch vor.
     Das entsprach natürlich nicht der Realität, er stellte es aber nicht in Frage. Auch darüber wollte er nicht nachdenken. Es
     war leichter, den |135| Kopf der untergehenden Sonne zuzuwenden und an nichts zu denken.
    Das rote Universum wurde schwarz. Er öffnete die Augen. Die Sonne war gesunken, sodass nun ein horizontaler Schatten des Fensterrahmens
     über sein Gesicht fiel. Der Lichtfleck war zu einem Streifen geschrumpft, der zu schmal war, um darin zu sitzen. Als Ben sich
     mit der Hand vom Boden hochstemmen wollte, fühlte er etwas Hartes. Verborgen unter den Troddeln einer Decke, lag ein Puzzleteil
     verkehrt herum auf dem Teppich. Er hob es auf. Die Bildseite war hellblau und wurde von einer dicken, orangefarbenen Linie
     durchkreuzt. Ben hatte keine Ahnung, in welches Bild es passen oder zu welchem von Jacobs Puzzles es gehören könnte. Er drehte
     das asymmetrische Pappstück in seiner Hand und schaute dann auf die Uhr.
    Es war Zeit für die Nachrichten.
    Es war einer der letzten Berichte, ein erhebender Abschluss der Sendung. Die Nachrichtensprecherin lächelte, als sie vermeldete,
     dass Steven Cole endlich wieder zurück bei seinem leiblichen Vater war.
Er heißt Jacob und nicht Steven.
Nicht erwähnt wurde, dass der Junge die Coles im Rahmen eines unter Aufsicht vollzogenen «Resozialisierungsprozesses» schon
     in den vergangenen Wochen immer regelmäßiger getroffen hatte. Auf den Fernsehbildern waren John und Sandra Cole an diesem
     Nachmittag vor dem Jugendamt zu sehen, in ihrer Mitte Jacob. Die drei waren von Journalisten und Fotografen umzingelt. Cole
     tat so, als würden sie nicht existieren, während seine Frau jede Sekunde auskostete. Einmal im Rampenlicht, drehte sie völlig
     auf und warf sich in schmierige, erotische Posen. Sie war das einzige Mitglied der wiedervereinigten Familie, das lächelte.
     Sie strahlte in die Kameras und hielt Jacob an der Hand, und Ben konnte |136| sehen, dass ihre Knöchel bei der Anstrengung, ihn festzuhalten, weiß geworden waren. Ungeachtet des Treibens um ihn herum
     hatte Jacob den Kopf gesenkt. Bei dem Anblick schnürte es Ben die Brust zu.
    Als er selbst kurz ins Bild kam, wie ein Krimineller davoneilend, hätte er sich fast nicht wiedererkannt.
    Da Coles Antrag stattgegeben worden war, hatte Ben an diesem Nachmittag Jacob seinen neuen Eltern übergeben. Während der ganzen
     Zeit hatte er sich gesagt, dass es das Beste war, was er tun konnte. Das Beste für Jacob. Coles Anrecht auf seinen eigenen
     Sohn anzufechten wäre egoistisch gewesen. Egal, wie er sich selbst fühlte, egal, was Sarahs Eltern dachten, John Cole war
     Jacobs Vater. Angesichts dieser Tatsache liefen alle anderen Argumente ins Leere. Wenn die Sozialbehörden irgendeinen Grund
     gefunden hätten, warum Jacob nicht zu seinem leiblichen Vater zurückkehren sollte, wäre es anders gewesen. Aber das hatten
     sie nicht, und so erklärte sich Ben bereit, ihre Entscheidung hinzunehmen. Und das hatte er auch getan, bis zum bitteren Ende.
    Es tut mir leid, Sarah.
    Er musste daran denken, wie Jessica ihm vorgeworfen hatte, dass er sich nur der Verantwortung für Jacob entziehen wollte,
     und fragte sich, ob seine Motive, ihn ohne Gegenwehr wegzugeben, völlig unschuldig gewesen waren. Seine Begründung erschien
     ihm im Nachhinein verworren und unklar. Der Bericht im Fernsehen zeigte nun ein älteres Paar in einem winzigen Wohnzimmer
     mit Velourstapete. Jeanette Coles Eltern. Die Frau saß in einem Rollstuhl und fühlte sich vor den Fernsehkameras sichtlich
     unwohl. Ihr Ehemann, der neben ihr saß und ihre Hand hielt, war ein gefasst wirkender Mann, den das Alter langsam zermürbt
     hatte. Ja, sie wären sehr

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