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Obsession

Titel: Obsession Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Beckett
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verschmutzte Hemd. Als er Zoes breites Grinsen sah, war ihm klar, dass sie gewonnen hatte.
    «Ich sage dem Taxifahrer, dass er warten soll, bis du dich umgezogen hast.»
     
    Der Club war klein, dunkel und überfüllt, und durch die Ausdünstungen der vielen Leute war es tropisch schwül. Massen anonymer
     Hintern, Hüften und Schritte schoben sich an ihrem Tisch vorbei, dessen Kanten sich in Jeans, Leder, Satin und nackte Haut
     drückten.
    «Man weiß nicht, was die Ursache ist», sagte Ben. «Man sagt, es sei eine Art Hirnschädigung, wie Epilepsie, aber im Grunde
     weiß niemand, warum manche Kinder Autisten sind und andere nicht. Die Krankheit könnte vererbt werden, sie könnte mit Kinderkrankheiten
     oder Impfungen oder Sauerstoffmangel bei der Geburt zusammenhängen. Such dir etwas aus.»
    Zoe war dicht an ihn herangerückt, um ihn bei der hämmernden Musik verstehen zu können, und hatte die Ellbogen auf den Tisch
     gestützt und ihr Kinn auf die Hand gelegt. Sie trank einen Schluck Bier. Ben pulte das Etikett von seiner Flasche. Der Tisch
     war mit Papierfetzen übersät.
    «Es ist etwas anderes als das Downsyndrom. Da ist früh klar, ob das Kind es hat oder nicht. Aber Autismus ist nicht so leicht
     zu erkennen. Manchmal ist die Krankheit so schwach ausgeprägt, dass die Kinder eine normale Schule besuchen können, und manchmal
     ist sie so schlimm, dass sie ein Leben lang Windeln tragen müssen. Und sie verändert sich ständig. Während das Kind aufwächst,
     tauchen immer neue Symptome auf.» Er trank einen Schluck aus der Flasche. Das Bier |143| schmeckte warm und schal, obwohl die Flasche frisch angebrochen war. Oder doch nicht? Schwer zu sagen. Er fühlte sich benebelt.
     Er setzte die Flasche wieder ab und pulte weiter am Etikett.
    «Bei Jacob ist sie im Vergleich zu manch anderen Betroffenen ziemlich schwach ausgeprägt. Er hat vor allem ein Kommunikationsproblem.
     Im Moment würde er an einer normalen Schule noch nicht zurechtkommen, aber es besteht die Chance, dass er Fortschritte macht.
     Wenn man ihn manchmal anschaut, hat man das Gefühl, er ist kurz davor und braucht nur einen kleinen Knuff, um ein normales
     Kind zu sein. Und dann kapselt er sich wieder ab, und man hat den Eindruck, er kommt von einem anderen Stern. Es ist wirklich
     frustrierend. Man hat das Gefühl, er ist irgendwie in seinem Kopf gefangen, aber wenn man ihn dazu kriegen könnte, herauszukommen   ...»
    Er verstummte. «Entschuldige. Ich rede Schwachsinn.»
    «Nein, überhaupt nicht.» Zoe zuckte mit den Achseln. «Jedenfalls ist es interessanter Schwachsinn. Normalerweise sprichst
     du kaum über ihn.»
    «Nichts ist langweiliger, als Leuten zuzuhören, die von ihren Kindern reden.»
Besonders wenn es nicht ihre eigenen
sind.
Er hob die Flasche an die Lippen, doch sie war leer.
    «Hast du mal daran gedacht, ihn zu adoptieren?» Sie verzog sofort das Gesicht. «Tut mir leid, das war taktlos.»
    «Schon gut, kein Problem. Sarah und ich haben darüber gesprochen und waren uns einig, dass ich es irgendwann tun sollte. Wir
     haben auch darüber gesprochen, gemeinsame Kinder zu haben. Aber wir hatten keine Eile.»
    Das versenkte das Gespräch wie die
Titanic
. Ben spürte, wie seine Laune gleichsam unterging. Er wusste, dass er kurz davor war, betrunken und rührselig zu werden, dass
     er mit |144| dem Reden und Trinken aufhören und nach Hause gehen sollte, aber der Gedanke war fast genauso schnell wieder verflogen, wie
     er aufgetaucht war. «Es hätte sowieso nichts geändert», sagte er. «Ich hätte Jacob wahrscheinlich trotzdem zu Cole gehen lassen
     müssen.»
Wirklich?
Er begab sich lieber auf sicheres Terrain. «Ich kann einfach nicht glauben, dass ich den Jungen nur einmal im Monat sehen
     darf. Einmal im Monat, verdammt nochmal.»
    «Kannst du nicht mit seinem Vater reden? Ihm die Sache erklären, meine ich. Vielleicht ist er einverstanden, dass du ihn häufiger
     siehst.»
    Ben musste daran denken, wie Cole ihn angeschaut hatte. Er schüttelte langsam und bedächtig den Kopf. «Keine Chance.»
    «Wie kann man so verständnislos sein!»
    «Er ist kein verständnisvoller Mensch.» Ihm fiel auf, dass er eine einfache Wahrheit ausgesprochen hatte. Was sich im Kopf
     hinter Coles hellbraunen Augen abspielte, war unergründlich. Vielleicht war er Jacob nicht nur im Äußeren ähnlich. Ben versuchte,
     den Gedanken festzuhalten, damit er ihn später weiterverfolgen konnte, aber er entglitt ihm und wurde von einem anderen

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