Obsession
Jacob zu sehen waren, und nach ihrem Tod war es zu schmerzhaft für ihn gewesen,
es jeden Tag vor Augen zu haben. Selbst wenn er es nun nach mehreren Bieren anschaute, konnte er weder einen Vorwurf noch
Kritik darin erkennen. Es hatte sich nicht verändert. Es war nur ein Foto.
An der Tür klingelte es. Ben blieb, wo er war. Er wollte niemanden sehen. Sein Handy hatte er ausgeschaltet, und sobald er
nach Hause gekommen war, hatte er das Telefon ausgestöpselt, um den Beileidsanrufen vorzubeugen, die es mit Sicherheit gegeben
hätte. Er hatte ein schlechtes Gewissen wegen Keith, aber mit dem konnte er auch später sprechen. Möglich, dass sich sein
Vater verpflichtet fühlte, wieder anzurufen, aber Bens Laune war so schon schlecht genug. Als die ersten Berichte in den Medien
kamen, hatte er sich gemeldet, und nach dem kurzen Gespräch war Ben deprimierter denn je gewesen. Den größten Teil des Telefonates
hatte |140| er sich für sein Fernbleiben entschuldigt, ein reumütiges Geschwafel, das darauf hinauslief, dass seine Frau unter dem Wetter
litt. Ben war aufgefallen, dass sie jedes Mal erkrankte, wenn irgendjemand etwas von ihrem Mann wollte. «Du weißt ja, wie
es ist», hatte sein Vater geendet, und Ben hatte zugestimmt, ja, er wisse, wie es sei. Danke, Vater.
Die Türklingel schrillte erneut. Ben blieb entschlossen am Tisch sitzen, aber dieses Mal hörte es nicht auf. Er schob den
Stuhl zurück und schaute nach, wer es war.
Zoe lehnte neben der Tür. Als Ben öffnete, nahm sie ihren Daumen von der Klingel. Auf der Straße parkte ein Taxi mit laufendem
Motor in zweiter Reihe. Sie grinste ihn an, konnte aber ihre Nervosität nicht verbergen. «Hi. Ich habe angerufen, aber es
ist immer besetzt.»
Ben versuchte noch, sich zu sammeln. «Ich habe es ausgestöpselt.»
«Ach so.» Sie steckte die Hände in die Gesäßtaschen ihrer engen schwarzen Jeans, die tief auf ihren Hüftknochen saß. Durch
die Bewegung zogen sich ihre Schultern hoch. «Ich habe in den Nachrichten gehört, was passiert ist. Ich dachte, ich schaue
mal, wie es dir geht.»
«Mir geht’s gut.» Er erinnerte sich an seine Manieren. «Willst du reinkommen?»
«Nein, schon in Ordnung. Das Taxi wartet.» Zoe schaute nach unten und beobachtete, wie sie mit dem Zeh gegen die Stufe stieß.
Ihr Haar war diese Woche rot. «Und was hast du jetzt vor?»
Ben fiel ein, dass die Anwältin davon gesprochen hatte, wegen seines Umgangskontaktes mit Jacob in Berufung zu gehen, aber
es war halbherzig gewesen. Außerdem war es ihm zu abstrakt und zu mühsam erschienen, um sich jetzt darauf zu konzentrieren.
«Keine Ahnung.»
|141| Sie schaute die Straße hinab, als hätte dort etwas ihre Aufmerksamkeit erregt. «In einem neuen Club in Soho findet eine Party
statt. Ich habe eine Einladung. Hast du Lust, mitzukommen?»
Ihm wurde klar, dass sie offenbar nicht nach seinen langfristigen Plänen gefragt hatte. Er betrachtete ihr geschminktes Gesicht.
Das orangefarbene Top, das sie anhatte, war noch knapper als diejenigen, die sie bei der Arbeit trug, und kaum mehr als ein
BH, der sich an ihre kleinen Brüste schmiegte. «Nein, ich glaube nicht. Aber danke, dass du fragst.»
«Hast du was anderes vor?» Sie blinzelte zu ihm hinauf.
«Ich habe wirklich keine Lust, auszugehen.»
Sie nickte. «Also bleibst du lieber zu Hause und betrinkst dich allein.»
«Zoe, es ist nett, dass du vorbeigekommen bist, aber ...»
«Aber du bleibst zu Hause und bläst Trübsal, ja?»
Er war zu erschöpft, um sauer zu werden. «Ich bin heute wirklich nicht besonders gesprächig.»
«Was spielt das für eine Rolle? Du kannst dich in Gesellschaft besaufen.» Sie machte ein ernsteres Gesicht. «Ich denke einfach,
du solltest heute Nacht nicht allein zu Hause bleiben.»
Das war genau das, was er wollte: zu Hause bleiben und in Erinnerungen an Sarah und Jacob, an seine verlorene Familie, schwelgen.
Es war leichter, als sich aus dem Loch zu ziehen, in das er rutschte. Im Moment wollte er sich nur gehenlassen und den Absturz
genießen.
Doch Zoe schaute ihn erwartungsvoll an. Er suchte nach Worten, konnte aber nur den Kopf schütteln.
«Komm schon», sagte sie, als sie seine Unentschlossenheit spürte. «Du wirst dich besser fühlen.»
Ich will mich nicht besser fühlen.
Aber etwas zu erwidern |142| war zu anstrengend. «So kann ich nicht los», sagte er matt und schaute hinab auf seine zerknitterte Hose und das von der Gartenmauer
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