Obsession
jedoch
eine kriminelle Handlung, und ich kann mir vorstellen, dass man gegen die Hebamme ermitteln und sie mit ziemlicher Sicherheit
anklagen wird.» Sie hielt inne. «Sie werden die Polizei davon überzeugen müssen, dass Sie nicht wussten, was Ihre Frau getan
hat, bis Sie die Zeitungsartikel fanden. Dass Sie Schritte unternommen haben, um Jacobs Vater zu finden, wird sich zu Ihrem
Vorteil auswirken, obwohl man einwenden könnte, dass Sie geradewegs zur Polizei hätten gehen sollen, anstatt zu dem Schrottplatz
zu fahren.»
«Ich wollte Cole nur mit eigenen Augen sehen.»
«Hoffentlich wird die Polizei das akzeptieren. In jedem Fall werden Sie entscheiden müssen, wie Sie weiter vorgehen wollen.
John Cole wird wahrscheinlich ein Betreuungsrecht beantragen. Wollen Sie das anfechten?»
Ben rieb seine Schläfen. «Was würde geschehen, wenn ich es täte?»
«Ein vom Gericht bestimmter Fachmann – in diesem |127| Fall vielleicht ein Sozialarbeiter des Jugendamtes – wird Mr. Coles Antrag prüfen und Empfehlungen aussprechen. Anschließend entscheidet das Gericht, wo Jacob wohnen wird. Seine eigenen
Wünsche und Gefühle werden dabei in Betracht gezogen, was sich in diesem Fall als schwierig herausstellen dürfte, da es offenbar
Kommunikationsprobleme gibt. Aber unter normalen Umständen hätten Sie wahrscheinlich gute Aussichten, ihn zu behalten.»
Er war zu müde, um klar zu denken. «Und wenn ich es nicht anfechte?»
«Dann wird Jacob nach Prüfung des Antrags höchstwahrscheinlich zu seinem leiblichen Vater kommen.»
«Werde ich ihn weiterhin sehen können?»
«Möglicherweise wird Ihnen ein gewisser Umgangskontakt erlaubt, aber ich kann nicht sagen, in welchem Umfang. Das hängt davon
ab, was nach Meinung des Gerichts das Beste für den Jungen ist.»
Das Beste?
Ben musste an die schäbige Kleinstadt denken, an das Haus, in dessen Garten Schrottberge lagerten. Er konnte den Gedanken
nicht ertragen, dass Jacob an einem solchen Ort leben sollte. Er wollte ihn nicht aufgeben und konnte sich nicht vorstellen,
wie es wäre, wenn er es täte. Der Gedanke daran, was Sarah sagen würde, was sie denken würde, bereitete ihm entsetzliche Magenschmerzen.
Egal, auf welchem unrechtmäßigen Weg sie zu ihm gekommen war, Jacob war ihr Sohn. Sie hatte ihn geliebt und für ihn gesorgt.
Und Ben ebenso. Wie konnte er ihn jetzt einfach gehen lassen?
Doch dagegen stemmte sich die Erinnerung an den hinkenden Cole und seinen über sechs Jahre aufgestauten Kummer.
Wo ist mein Junge?
Er merkte, dass die Anwältin wartete. Er gab ihr seine Antwort.
|128| John Cole sah seinen Sohn zum ersten Mal in einem schmutzigen Jugendamt aus Beton und Glas. Ben hielt Jacob an der Hand, als
sie gemeinsam mit Ann Usherwood in den Raum gingen, in dem das Treffen stattfinden sollte. Der Sozialarbeiter, der vom Gericht
bestellt war, den Antrag auf das Betreuungsrecht zu prüfen, hieß Carlisle. Er war ein paar Jahre älter als Ben, hatte kurzgeschorenes
Haar und eine etwas herablassende Art. John Cole und seine Frau waren bereits dort; Cole trug einen dunkelgrünen Anzug, der
für das Wetter zu warm war, seine Frau ein kurzes, ärmelloses Kleid. Ben zuckte ein wenig zusammen, als Cole aufstand, doch
der Mann beachtete ihn kaum. Er starrte nur Jacob an.
Jeder im Raum schien einen Moment innezuhalten. Cole hinkte herbei und blieb vor seinem Sohn stehen, ohne den Blick von ihm
zu lassen. Wie auf dem Schrottplatz konnte man seinen Gesichtsausdruck nicht deuten, doch dieses Mal meinte Ben, ihm eine
gewisse Vorsicht anzumerken. Er ging in die Hocke und schaute den Jungen schweigend und aufmerksam an. Ben erwartete, dass
Jacob seine abwehrende Geste machte, aber er rührte sich nicht.
«Hallo, Steven», sagte Cole. «Ich bin dein Vater.»
Jacob richtete seinen Blick vorsichtig auf den Mann, der vor ihm hockte. Als die beiden sich ansahen, kam Ben die unglaubliche
Ähnlichkeit zwischen ihnen fast irreal vor. Dann drehte sich Cole um und fixierte ihn mit seinem gnadenlosen Starren.
«Was haben Sie mit ihm gemacht?»
Der Sozialarbeiter trat einen Schritt vor. «Ich denke, wir sollten alle Platz nehmen. Dieses Treffen wird für alle sehr schwierig
werden, daher ist es wichtig, Ruhe zu bewahren und sich daran zu erinnern, dass wir hier sind, um zu besprechen, was das Beste
für Jacob ist.»
|129| «Steven», sagte Cole. Sein Kopf schwenkte von Ben zu dem Sozialarbeiter. «Sein Name ist
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