Occupy Economics
sondern auch der, der aus dem Nebeneinander und untrennbaren Übereinander der Märkte entsteht, aus dem Nebeneinander der Geschäfte an der Straße oder den vielen Angeboten im Internet. Sie alle bieten dem Konsumenten parallel die Wahl zwischen Pelzmantel und Mallorca-Reise, zwischen Fünf-Sterne-Menü und Handtasche, zwischen Konzertbesuch und Ayurveda-Massage – und auch wieder alle Angebote beziehungsweise Alternativen untereinander. Was soll es den verschiedenen Anbietern von Mallorca-Reisen nutzen, wenn sie sich zu einem einzigen großen Anbieter zusammentun und so die Möglichkeit bekommen, Mondpreise zu verlangen? Es kann sein, dass sie vorübergehend »absahnen« können, aber auf Dauer katapultieren sie sich aus dem Gesamtangebot heraus. Und das passiert allen, die es übertreiben, das heißt, es gibt immer einen Wettbewerb, der alle Einzelanbieter diszipliniert (sie zu »ehrbaren Kaufleuten« macht), weil im Grunde alle Märkte untereinander im Wettbewerb stehen, und die Märkte zusammen ein Orchester bilden, wo falsche Töne im Konzert auf Dauer immer auffallen. Natürlich gibt es auch Ausnahmen dort, wo es diesen Wettbewerb der Märkte nicht gibt: In der Wüste, wo es keine Alternative zur Oase gibt. Aber schon die Möglichkeit eines Umwegs beim nächsten Besuch diszipliniert den Besitzer der Oase auf Dauer, weil sich viele für andere Wege entscheiden, wenn er übertreibt.
Die heutigen »Hüter des Wettbewerbs«, die Kartellbehörden, verfolgen lediglich direkte Vorgänge unter Marktteilnehmern, die sie als »Preisabsprachen« bezeichnen, die eine vermeintlich »natürliche Preisbildung« verhindern. Das viel zu enge marktzentrische Denken der Wettbewerbs- und Preistheorie setzt sich im ignoranten Handeln der Behörden fort, die schon jegliche betriebswirtschaftliche Argumentation ignorieren. Ihre Eingriffe, insbesondere die Geldbußen, sind dramatisch, sie gehen mittlerweile in die Milliarden. Vor ein paar Jahren wurde die Methode der Kronzeugenregelung eingeführt, um die Effizienz der Verfolgung zu fördern. Dabei handelt es sich im Prinzip um nichts anderes als um Denunziation, bei der ein Kaufmann den anderen verpfeift, wodurch schon viele Branchen vergiftet wurden, Branchen, die seit 125 Jahren und mehr zusammengearbeitet haben. Dem Gesetzgeber und den Behörden sind die ethisch und moralisch verwerflichsten Methoden recht, um die theoretischen Vorstellungen der Wettbewerbstheorie durchzusetzen. Das neueste Instrument ist eine Internetplattform des Bundeskartellamts, auf der ein jeder anonyme Anzeigen platzieren kann, ohne Gefahr zu laufen, erkannt zu werden. Für mich ist das strafbare Aufforderung zur Offenbarung von Geschäftsgeheimnissen. Die Wettbewerbstheorie erweist sich so als Ideologie, weil der Realität eine Theorie, eine Überhöhung des Wettbewerbsgedankens, aufgezwungen werden soll. Verschiedene sozialistsich-totalitäre Staatsgebilde aus Vergangenheit und Gegenwart lassen grüßen.
Meine Argumentation unterscheidet erst einmal zwischen Preis- und Qualitätswettbewerb. Denn: Der von den Kartellbehörden geforderte und geförderte Preiswettbewerb ist in Wahrheit kein Wettbewerb, sondern ein Wettkampf, der zum Ausscheiden des Mitbewerbers führt, also tendenziell Monopolisierung fördert. Denn im Preiswettbewerb überlebt immer der finanziell Stärkere, der den anderen preislich unterbieten kann. Das Vorbild ist nicht das Fußballspiel, bei dem der Bundesliga-Verein im nächsten Jahr wieder antreten kann, wenn auch die schlechteren nur in der 2. Liga, sondern der Gladiatoren-Kampf, bei dem der Besiegte vom Platz getragen wird.
Das Problem daran ist außerdem, dass die Herstellung eines Produkts sich selten in demselben Maß verbilligen lässt, wie die Preise verfallen können. Die Folge ist ein Qualitätsverfall (sichtbar beispielsweise bei Lebensmitteln), der dem Hersteller aufgezwungen wird. Des Weiteren fördert der Preisverfall noch aus einem anderen Grund die Monopolisierung: Eines der Grundgesetze der Wirtschaft sind die sogenannten »economies of scale«, auch Skalenerträge genannt. Sie besagen, dass der Anteil der Fixkosten je produzierter Einheit immer kleiner wird, oder anders ausgedrückt: Je größer die Fabrik, desto kleiner die Stückkosten. Wenn nun der Preisdruck auf dem Markt steigt, dann ist es unumgänglich, dass die Produktionseinheiten wachsen. Bei konstanter Absatzmenge sinkt also zwangsläufig die Zahl der Anbieter. In der Realität bedeutet das, dass
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