Ocean Rose. Erwartung (German Edition)
und schaute ihn an. »Bis auf eine Ausnahme?«, schlug ich vor.
Er starrte aufs Wasser.
»Sie wollte mit dir zusammen sein«, stellte ich fest.
Er nickte und schaute auf. »Ja, und ich wollte mit Justine zusammen sein. Mehr als alles andere auf der Welt.«
Diesmal versuchte ich nicht, meine Hand fortzuziehen, als Simon danach griff.
»Aber alte Gewohnheiten legt man schwer ab, und sie wusste, dass eure Mom ausgeflippt wäre, wenn Justine plötzlich verkündet hätte, sie wolle ihre Ausbildung abbrechen, um sich einem Typen aus Winter Harbor an den Hals zu schmeißen.«
»Justine hatte Glück, jemanden wie dich gefunden zu haben.«
»Na ja, ich weiß nicht recht … aber ich habe daran gearbeitet, eine bessere Partie zu werden. Weil ich Justine nicht verlieren wollte, habe ich alles getan, was ich konnte, um eure Mom zufriedenzustellen. Ich habe meinen Job bei Monty für einen beim Lighthouse aufgegeben«, sagte er und warf einen Blick auf Simon, »um mehr Geld zu verdienen und meine Zeit mit Businessleuten anstatt mit Fischern zu verbringen. So schwer ist mir noch nie etwas gefallen. Ich habe es nicht einmal geschafft, Monty davon zu erzählen. Mir war klar, dass er versuchen würde, mir die Sache auszureden,und das wollte ich nicht.« Er brauchte einen Moment, bis er fortfuhr: »Als die Schule wieder begann, strengte ich mich viel mehr an und nahm sogar an der Zulassungsprüfung fürs College teil, was ich eigentlich nie vorgehabt hatte.«
»Was ist mit dem Geschäftsessen, das du mit den Lighthouse -Leuten hattest?«, fragte Simon. »Mark hat erzählt, du wolltest sie überreden, Winter Harbor in Ruhe zu lassen.«
»Ja, bevor ich den Job im Lighthouse bekommen habe. Zu dem Zeitpunkt dachte ich noch, Justine und ich könnten vielleicht eines Tages in Winter Harbor wohnen. Ihr wisst ja, wie ich an dem Ganzen hier hänge. Deshalb habe ich darum gekämpft, dass alles so erhalten bleibt, wie es ist.« Er seufzte. »Na ja, aber als Justines Schulabschluss näher kam, hat sie sich stattdessen nach anderen Möglichkeiten umgeschaut.«
»Was denn für Möglichkeiten?«, fragte ich.
»Im September musste sie ja irgendwohin, und das College wäre es schließlich nicht geworden. Also hat sie über Kalifornien, Washington, Oregon oder Vancouver nachgedacht. Sie meinte, wir sollten möglichst weit weg, damit sie nicht einfach zurück nach Boston fahren konnte, wann immer sie ein schlechtes Gewissen bekam.«
»Für sie war es einfacher, ein paar tausend Meilen von uns wegzuziehen, als die Wahrheit über dich und Dartmouth zu sagen?«
Er schaute mich an, als ob ich das begreifen sollte. »Sie hatte Angst.«
Okay, das sollte ich wirklich begreifen. Schließlich war ich an Angst gewöhnt. Wenn ich nachts zu Bett ging, dann wusste ich, dass im Schatten keine Monster lauerten, aber das hatte mich nie davon abgehalten, auf ihre Attacke zu warten, sobald das Licht erlosch. Und aus Maine abzuhauenpasste zu Justines Überzeugung, dass man Furcht am besten besiegte, indem man so tat, als sei die Ursache gar nicht vorhanden. Sie brauchte sich nicht länger davor zu fürchten, eine Enttäuschung für uns zu sein, wenn sie so tat, als hätten wir aufgehört zu existieren.
»Justine hat mich versprechen lassen, dass ich es niemandem verraten würde«, sagte Caleb. »Sie war überzeugt, alle würden uns für verrückt halten oder uns Vorwürfe machen, und das wollte sie sich nicht anhören. So bestand keine Gefahr, dass man uns unsere Pläne ausreden konnte.«
»Aber wenn sie das alles geplant hatte«, meinte ich und spulte ein paar Wochen vor, »wieso ist sie dann mitten in der Nacht von den Chione Cliffs gesprungen?«
»Zuerst habe ich das auch nicht verstanden«, erwiderte Caleb. »Okay, nach eurem Abendessen war sie ganz schön wütend. Eure Mom hat ihr wohl eine Rede über Verantwortung und Schulkarriere gehalten und wusste außerdem über mich Bescheid.«
Ich war froh, dass der Regen noch immer fiel und meine glühenden Wangen verbarg. Kein Wunder, dass Justine so in Rage gewesen war – nachdem sie Jahre damit verbracht hatte, mich zu beschützen, war ich ihr in den Rücken gefallen und hatte ihr wichtigstes Geheimnis verraten.
»Zuerst sind wir nach Boston gefahren. Sie meinte, da könnten wir eine Weile unterschlüpfen, bis wir entschieden hätten, wohin es als Nächstes gehen sollte.«
Damit war das Badehandtuch erklärt, das ich am Tag des Begräbnisses zerknüllt hinter ihrer Tür gefunden hatte.
»Aber kaum
Weitere Kostenlose Bücher