Ocean Rose. Erwartung (German Edition)
Gewitterwolken angerollt kamen.
»Du musst es nicht tun«, sagte Simon. »Bestimmt fällt uns eine andere Lösung ein.«
»Eine andere Lösung gibt es nicht«, sagte Caleb. Er warf den Herald neben sich auf die Rückbank und stieg aus dem Wagen.
»Hey«, sagte Simon, als ich nach dem Türgriff fasste. »Alles okay mit dir?«
Ich betrachtete seine Hand auf meinem Arm. Auf eineweitere Lüge kam es jetzt auch nicht mehr an. »Ich arbeite daran«, sagte ich.
Wir liefen Caleb hinterher, der bereits die Eingangstreppe der Marchands hinaufstürmte. Furcht schnürte mir die Kehle zu, obwohl ich wusste, dass Raina und Zara fort waren; wir hatten gegenüber von Bettys Fischerhaus auf ihre Ankunft gewartet und waren dann mit Vollgas zu ihrem Haus gefahren.
Drinnen waren noch immer alle Fenster verhängt, und selbst die Wandleuchter an der Treppe brannten nicht. Das einzige Licht stammte von dem hellen Strahl, der durch die Eingangstür fiel. Was mir Hoffnung machte, war die angenehmere Luft hier drinnen, denn es roch zwar noch nach Feuchtigkeit und Salz, aber nicht mehr nach Verwesung.
Ich führte die beiden durchs Wohnzimmer. Simon wollte nach meiner Hand greifen, als wir die Treppe hinaufgingen, doch ich tat so, als würde ich es nicht bemerken, und stieg schnell die Stufen empor. Heute war vermutlich der letzte Tag, den wir zusammen verbrachten, und ich wollte nicht alles noch schwerer machen.
»Hier entlang«, sagte ich und steuerte am Ende des Flures auf das Zimmer von Paige zu. Vor ihrer Tür blieb ich stehen und lauschte.
Stille.
Ich schüttelte das ungebetene Bild ab, wie Paige krampfhaft zuckend in der Badewanne gelegen hatte, und öffnete die Tür.
»Wow«, sagte Caleb.
»Bist du sicher, dass wir hier richtig sind?«, fragte Simon.
Ich drehte mich langsam nach allen Seiten um. Paiges ganzer Besitz – ihr Bett, ihre Kleidung, Bücher, Bilder – waren verschwunden. Die Wände waren rosa angemalt. Statt der weißen Vorhänge gab es nun pinkfarbene Jalousien.
In der Mitte des Zimmers, unter einem Mobile aus plüschigen Seesternen, stand eine kleine Wiege.
Diesmal ließ ich es zu, dass Simon meine Hand ergriff. Sonst hätte ich mich nicht vom Fleck bewegen können.
»Wahrscheinlich hat sie nur die Zimmer gewechselt«, sagte Caleb, als wir in den Flur zurückkehrten. »Schließlich war sie bei den heutigen Plänen ihrer Familie nicht vorgesehen.«
So hatte es in Zaras Tagebuch gestanden. Doch der letzte Eintrag war drei Tage alt – weil ich zu dem Zeitpunkt das Buch bei der Versammlung stibitzt hatte. Gut möglich, dass sich ihre Pläne inzwischen geändert hatten. Im Haus gab es jemanden, der vielleicht darüber Bescheid wusste.
Vor Bettys Tür angelangt, hielt ich den Atem an und hob die Hand zum Klopfen.
»Komm herein, Vanessa.«
Ich wechselte einen Blick mit Simon, dann öffnete ich die Tür.
Bei meinem letzten Besuch hatte Betty im Bett gelegen und nach Atem gerungen. Ich wusste nicht, womit ich diesmal rechnen musste. Daher war ich unendlich erleichtert, als ich sie nicht nur lebend vorfand, sondern sogar voll angezogen auf ihrem Diwan.
»Ich habe auf dich gewartet«, sagte sie und stand auf. Sie kam durch den Raum auf uns zu, wobei sie geschickt den Tischen und Stühlen auswich.
»Heißt das, Sie wissen, was vor sich geht?«, fragte ich vorsichtig.
»Lange wusste ich es nicht«, antwortete Betty, »aber jetzt schon. Raina hat versucht, es vor mir zu verbergen. Als meine Kräfte noch stärker waren, hat sie ihre Gedanken sorgfaltig abgeschirmt und alles getan, um mich im Dunkeln zu lassen. Aber dann wurde ich schwächer, und ihre Wachsamkeitließ nach, weil sie überzeugt war, dass ich sie nicht länger hören konnte. Glücklicherweise habe ich mich dank deiner Hilfe genug erholt, um ihre Pläne zu erlauschen.«
»Was haben Sie erfahren?«, fragte Simon.
»Vieles wisst ihr ja bereits. Heute Abend wird das Morden beginnen und erst dann enden, wenn jemand sie aufhält … und dazu braucht ihr mich.«
»Wie haben Sie herausbekommen, was wir …?«, setzte Caleb an und verstummte.
»Ich werde tun, was immer nötig ist«, fuhr sie fort.
»Sind Sie sicher, dass Ihre Kraft ausreicht?«, fragte ich. »Als ich Sie das letzte Mal gesehen habe –«
»Seitdem bin ich stärker geworden. Und im Wasser werde ich noch mehr zu Kräften kommen.«
Ich warf einen Blick auf Simon, der mich besorgt ansah. Bettys Zustand war offenbar schlimmer, als er sich vorgestellt hatte.
»Meine Augen brauche
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