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Ocean Rose. Verwandlung (German Edition)

Ocean Rose. Verwandlung (German Edition)

Titel: Ocean Rose. Verwandlung (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tricia Rayburn
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überflog wieder und wieder die Artikel über das gestrige Busunglück und suchte auf den Fotos nach dem Mädchen aus der Fernsehübertragung. Als Paige von Meerwasser sprach, merkte ich allerdings, wie durstig ich war. Schon wieder. Mein unfreiwilliges Bad in Winter Harbor war erst ein paar Tage her, und trotzdem ließ die Wirkung rapide nach.
    »Miss Mulligan ist bestimmt entzückt, dass du dich so schnell hast anstecken lassen«, sagte ich und stürzte meinen Eistee hinunter.
    »Ich habe vorher einfach nie über so etwas nachgedacht, weißt du? Zu Hause geht man eher nicht aufs College, und wenn doch, sucht man sich eines in der Nähe. Nach Ende des Studiums kommt man zurück nach Winter Harbor und verbringt sein Leben genau so, wie man es auch ohne Hochschulabschluss getan hätte.«
    »Zum Beispiel leitet man ein bekanntes Touristenrestaurant?«, fragte ich.
    Sie zuckte mit den Schultern. »Ich fand immer, da ich am Ende doch in Bettys Fischerhaus feststecken werde, verschwende ich meine Zeit nicht damit, so zu tun, als hätte ich eine Wahl.«
    »Aber du hast eine Wahl.«
    »Stimmt. Ich könnte Architektin werden. Oder Grafikdesignerin. Oder Ärztin.« Sie lächelte. »Na ja, vielleicht doch nicht. Das Medizinstudium ist endlos, und außerdem kann ich kein Blut sehen.«
    Ich sog an meinem Strohhalm, bis ein schlürfendes Geräusch ertönte und das Glas restlos leer war. »Klingt super, Paige, ehrlich. Aber ist Honolulu nicht ein bisschen weit weg?«
    »Es gibt ja noch andere Möglichkeiten.« Sie blätterte in den Broschüren. »Phoenix, Des Moins und Houston sind alle …«
    »… auch nicht viel näher.« Ich beugte mich zu ihr vor. »In unserem Bundesstaat gibt es statistisch die meisten Colleges der USA. Gefällt dir davon kein einziges?«
    Ihr Lächeln erstarb. »Hier ist der Wettbewerb zu groß. Meine Noten waren gerade noch gut genug für Hawthorne, aber mein Ehrgeiz reicht nicht für vier Jahre voll wahnsinnigem akademischem Leistungsdruck.«
    Mir war klar, dass ihre College-Auswahl in Wirklichkeit andere Gründe hatte – nämlich ein paar tausend Meilen Abstand zu allem, was sie am liebsten vergessen wollte –, aber auf diese Diskussion wollte ich mich jetzt nicht einlassen.
    »Gleich habe ich meinen Termin«, sagte ich. »Also verschwinde ich noch mal schnell.«
    Sie hob ihren Kaffeebecher. »Ich lasse mir nachschenken. Willst du auch?«
    »Ja, bitte.«
    Während sie zum Tresen ging, nahm ich meinen Rucksack und kurvte zwischen den Tischchen und Stühlen hindurch, mit denen das winzige Café vollgestellt war. Es gab nur eine Toilette, die sich ganz hinten befand und besetzt war, als ich ankam.
    Ich lehnte mich an die Wand und fragte mich, wie viel ich wohl in der nächsten halben Stunde schwindeln musste. Kurz hatte ich darüber nachgedacht, das Treffen abzusagen, aber dann hätte Miss Mulligan nur einen neuen Termin festgelegt und vermutlich selbst teilgenommen. Ich hatte keine Lust, Begeisterung zu heucheln und meine Talente ins beste Licht zu rücken, aber hinterher von Miss Mulligan kritisiert zu werden war eine noch unangenehmere Vorstellung.
    Ich wartete zwei Minuten, drei, vier … Nach fünf Minuten klopfte ich vorsichtig. Als niemand reagierte, legte ich das Ohr an die Tür. Das Reden und Lachen der Leute im Hintergrund machte es schwer, etwas zu hören, aber mir kam es vor, als würde drinnen Wasser fließen. Ich wartete noch einen Augenblick und klopfte dann energischer.
    Keine Reaktion.
    Gerade wollte ich einer Bedienung winken und fragen, ob die Toilette aus Versehen zugeschlossen war, als ein Wasserhahn quietschte und das Geräusch aufhörte.
    »Sorry«, sagte der Typ, der aus der Tür kam. Ich kannte ihn nicht, aber er trug eine Hawthorne-Schuluniform, die genauso zerknittert aussah wie meine eigene. Seine Augen waren gerötet. Bevor er den Waschraum verließ, drehte er sich noch einmal kurz um und zog ein Bündel Papierhandtücher aus dem Spender.
    »Kein Problem«, sagte ich.
    Er schnäuzte sich die Nase und schlurfte an mir vorbei. An einem Tisch beim Eingang sank er auf einen Stuhl, stützte den Kopf in die Hände und starrte auf den Bildschirm seines Laptops. Er änderte seine Haltung nur, um sich ab und zu die Augen oder die Nase zu wischen. Da ich nicht zu den Leuten gehören wollte, die ihn neugierig anstarrten und dadurch alles schlimmer machten, verschwand ich schnell im Waschraum und schloss die Tür hinter mir ab.
    Der Raum war winzig. Zwischen der Toilette und dem

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