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Oceano Mare - Das Märchen vom Wesen des Meeres

Oceano Mare - Das Märchen vom Wesen des Meeres

Titel: Oceano Mare - Das Märchen vom Wesen des Meeres Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alessandro Baricco
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mitklang.
    Bartleboom stand völlig orientierungslos weiterhin wie erstarrt mitten im Raum. Pater Pluche wandte sich nach Elisewin um: und sah eine ungewöhnliche Blässe in ihrem Gesicht. Madame Deverià sagte kein einziges Wort, nahm aber die Laterne und folgte Dira. Plasson lief ihr nach.
    »Elisewin, es ist besser, du bleibst hier …«
    »Nein.«
    »Elisewin, so hör mich doch an …«
    Bartleboom nahm mechanisch den Mantel und lief, etwas zwischen den Zähnen brummend, hinaus.
    »Elisewin …«
    »Gehen wir.«
    »Nein, hör mir zu, ich bin mir überhaupt nicht sicher, daß du …«
    Das kleine Mädchen – jenes wunderschöne – kam zurück, und ohne ein Wort zu sagen, lächelte sie Elisewin zu und nahm sie bei der Hand.
    »Aber ich bin mir sicher, Pater Pluche.«
    Ihre Stimme bebte, aber sie bebte vor Kraft und vor Lust. Nicht vor Angst.
    Die Pension Almayer blieb zurück mit ihrer im Wind schlagenden Tür und ihren Lichtern, die in der Dunkelheit immer kleiner wurden. Wie von einem Bratrost aufspritzende Glutbröckchen hüpften zehn kleine Laternen den Strand entlang und zeichneten dabei lustige und rätselhafte Hieroglyphen in die Nacht. Das unsichtbare Meer verbreitete einen unglaublichen Lärm. Der Wind blies mit einer Heftigkeit, die Erde, Wörter, Gesichter und Gedanken zerzauste. Wundervoller Sturm. Und Ozean Meer.
    »Ich verlange zu erfahren, wohin zum Teufel wir eigentlich laufen!«
    »He?«
    »WO ZUM TEUFEL LAUFEN WIR HIN?«
    »Halten Sie Ihre Laterne hoch, Bartleboom!«
    »Die Laterne!«
    »He, warum müssen wir eigentlich so rennen?«
    »Seit Jahren bin ich nicht mehr so gerannt …«
    »Seit Jahren was?«
    »Dood, verflixt noch mal, ich will wissen …«
    »SEIT JAHREN BIN ICH NICHT MEHR GERANNT.«
    »Alles in Ordnung, Herr Bartleboom?«
    »Dood, verflixt …«
    »Elisewin!«
    »Hier bin ich, hier bin ich.«
    »Bleib in meiner Nähe, Elisewin.«
    »Hier bin ich.«
    Wundervoller Sturm, Ozean Meer.
    »Wissen Sie, was ich glaube?«
    »Wie bitte?«
    »Ich glaube, es ist für die Schiffe. DIE SCHIFFE.«
    »Die Schiffe?«
    »Bei stürmischem Meer wird so was gemacht … Am Ufer werden Feuer angezündet für die Schiffe … damit sie nicht aufs Ufer auflaufen …«
    »Bartleboom, haben Sie gehört?«
    »He?«
    »Sie sind im Begriff, ein Held zu werden, Bartleboom!«
    »Was zum Teufel redet Plasson denn da?«
    »Daß Sie im Begriff sind, ein Held zu werden!«
    »Ich?«
    »FRÄULEIN DIRA!«
    »Wo läuft sie bloß hin?«
    »Könnte man nicht mal kurz stehenbleiben?«
    »Wissen Sie, was die Insulaner bei stürmischem Meer machen?«
    »Nein, Madame.«
    »Sie rennen wie die Verrückten die Insel rauf und runter und halten sich Laternen über die Köpfe … damit die Schiffe … damit die Schiffe sich nicht mehr orientieren können und gegen die Felsen steuern.«
    »Sie machen wohl Scherze.«
    »Nicht im geringsten … Ganze Inseln leben von dem, was sich in den Wracks findet.«
    »Sie wollen doch nicht behaupten, daß …«
    »Halten Sie meine Laterne, bitte.«
    »Bleiben Sie doch mal stehen, zum Teufel.«
    »Madame … Ihr Mantel!«
    »Lassen Sie ihn, wo er ist.«
    »Aber …«
    »Lassen Sie ihn liegen, mein Gott noch mal.«
    Wundervoller Sturm. Ozean Meer.
    »Was machen sie bloß?«
    »Fräulein Dira!«
    »Wo, zum Teufel, laufen Sie hin?«
    »Himmel noch mal …«
    »DOOD!«
    »Laufen Sie, Bartleboom.«
    »Ja, aber in welche Richtung?«
    »Himmel noch mal, haben diese Kinder die Sprache verloren?«
    »Sehen Sie, dort.«
    »Das ist Dira.«
    »Sie steigt den Hügel hinauf.«
    »Ich geh’ da rüber.«
    »Dood! Dood! Zum Hügel müssen wir laufen.«
    »Wo rennt der denn hin?«
    »Christus, hier blickt man überhaupt nicht mehr durch.«
    »Halten Sie die Laterne hoch, Pater Pluche, und laufen Sie.«
    »Ich werde keinen einzigen Schritt mehr tun, wenn …«
    »Warum sagen sie bloß nichts?«
    »Ihr Blick gefällt mir überhaupt nicht.«
    »Was gefällt Ihnen daran nicht?«
    »Die Augen. DIE AUGEN!«
    »Plasson, wo ist eigentlich Plasson geblieben?«
    »Ich gehe mit Dol.«
    »Aber …«
    »DIE LATERNE. MEINE LATERNE IST AUSGEGANGEN!«
    »Madame Deverià, wo laufen Sie hin?«
    »Meine Güte, ich würde wenigstens gerne wissen, ob ich im Begriff bin, ein Schiff zu retten oder es zu versenken!«
    »ELISEWIN! Meine Laterne! Sie ist ausgegangen!«
    »Was hat Dira gesagt, Plasson?«
    »Dahin, dahin …«
    »Meine Laterne …«
    »MADAME!«
    »Sie hört Sie nicht mehr, Bartleboom.«
    »Aber das gibt es doch gar nicht

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