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Ochajon 04 - Das Lied der Koenige

Ochajon 04 - Das Lied der Koenige

Titel: Ochajon 04 - Das Lied der Koenige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Batya Gur
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Diese Korrektur dauert schon fünf Generationen. Man darf nicht vergessen«, sie schwang die Zigarre, »daß Mendelssohn Bach neu entdeckt hat. Und was war geschehen? Im 19. und 18. Jahrhundert hatte man Musik von Barock vollkommen vergessen. Mendelssohn entdeckte Bach, und Schumann schrieb Klavierbegleitung für Bachs Cellosuiten. Denn er dachte, daß Solocello langweilig ist, steril. Wenn man sich im 19. Jahrhundert überhaupt an Barockmusik erinnerte, dann hat man sie nur romantisch aufgeführt. Sie wollten spielen, wie sie es gewöhnt waren.« Sie hielt inne, um nach einem Wort zu suchen. »In ihren Ohren«, betonte sie, »klang Barockmusik begrenzt, sogar langweilig. So dachten sie über Barock«, sagte sie staunend. »Wie Geschmack sich ändert mit der Mode«, sagte sie zerstreut, drückte die Zigarre aus und heftete ihre erstaunten Augen auf ihre bandagierten Beine. Dann erzählte sie, wie man es zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts liebte, neue Orchestrierungen von Barockwerken zu schreiben. »Bis einer mit Namen Dolmetsch kam und begann, plötzlich Cembalo neu zu spielen. Er spielte Bach und Händel«, sagte sie, »und es war die erste Generation in unserem Jahrhundert, welche dachte, man soll zurückkehren zu dem, was es einmal gab. Man sollte Musik spielen, wie sie früher war, ohne romantische Bearbeitung. Zur zweiten Generation gehörte Wanda Landowska«, seufzte sie, und sie erzählte, wie man eigens für sie ein neues Cembalo baute. »Pleyel persönlich hat es ihr gebaut«, bewunderte Dora Sackheim, »haben Sie das gewußt? « Ohne auf eine Antwort zu warten, er klärte sie, daß Landowska darauf beharrte, Bach auf dem Cembalo zu spielen. »Wenn man ihr Spiel heute hört, versteht man, daß ihr Konzept auch romantisch war. Aber immerhin war es ein Cembalo«, betonte sie. »Später kam der zweite Weltkrieg«, faßte sie zusammen. »Und danach war die Welt nicht mehr, ganz und gar nicht mehr, was sie vorher war. Nichts, was man von früher kannte, was man gewohnt war, konnte noch gut sein«, sagte sie aus gräulichen Rauchwolken und hustete trocken und tief. »Es ist immer so, wenn es sehr schlecht geht, schaut man, was früher war. Man kehrt zurück zu Vergangenheit, ganz weit weg, und darum begann in fünfziger Jahren Historismus, wie man ihn heute kennt. Damals war wirklich Höhepunkt, Höhepunkt von Besessenheit für diese Sache.« Sie ver sank in Gedanken, zog die Mundwinkel kritisch nach un ten und erzählte von einer Gruppe von Franzosen. Sie erwähnte den Namen Jean-François Paillard und auch Niko laus Harnoncourt. In einem Hebräisch, das sich bemüh te, präzise zu sein, erklärte sie ihm, wie sie ein Orchester aufbauten, das in der »richtigen Formation« zu spielen begann. »Wie Barockorchester von früher, was bedeutet«, erläuterte sie, »mit historischen Saiten, und auch mit richtiger Größe.«
    Auf seine Frage über die »richtige Größe« erwiderte sie, »nicht mehr als zwei Geigen, zwei Bratschen. Vielleicht Cello und so weiter«, schloß sie ab.
    »Kann man sagen, wenn man Barockmusik so spielen will, wie sie original gespielt wurde, dann muß nur der Rahmen kleiner sein?« fragte er verlegen.
    »Das ist zu simpel«, sagte sie belehrend. »Aber so scheint es. Alles war damals anders. Saal war klein, Instrumente waren ganz anders. Zum Beispiel Metallbläser hatten nicht viele Töne. Und Trompete war nicht wie heute. Ganz und gar nicht. Sie hatte nur drei Töne. Manchmal«, sagte sie mit einem Lächeln, »mußten sie zweite und dritte Trompete heranziehen, und jedes Instrument spielte Teil von Part von Trompete, denn Trompeten hatten damals überhaupt keine Chromatik. Mit Ausnahme von besonderer Trompete mit sehr dünnem Rohr, wie in ›Brandenburgischem Konzert‹ von Bach – aber damit konnte man nur hohe Töne produzieren. Erst im 19. Jahrhundert, schon nach Beethoven, erfand man Ventile für Trompeten, Instrumente waren ganz anders, Stimmen waren ganz anders, Ohr war ganz an ders.«
    »Und nach Landowska und den Franzosen?«
    »Sie begannen Bach und Händel zu spielen. Aber Forschung geht in alle Richtungen. Man muß verstehen«, sagte sie mit betonter Geduld, »daß Barockmusik spezifische Konzeption von Tempo hat. Haben Sie keine musikalische Bildung?« fragte sie ihn in einer Weise, die er für Bekümmertheit hielt.
    Er seufzte und schüttelte den Kopf. »In unserer Familie hat man keine klassische Musik gehört ... Ich stamme aus einer unmusikalischen Familie«, sagte er

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