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Ochajon 04 - Das Lied der Koenige

Ochajon 04 - Das Lied der Koenige

Titel: Ochajon 04 - Das Lied der Koenige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Batya Gur
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Wiegenlieds von Brahms hörte, wedelte die Kleine mit den Armen. Schwester Nechama bewunderte sie. »Sie hat sich gut entwickelt. Ich habe sie jetzt zwei Wochen lang nicht gesehen. Sie ist so groß geworden, und sie ist aufgeweckt und friedlich. Wahrhaftig, als wäre nichts geschehen. Schade, daß ich die Mutter nicht angetroffen habe. Findet die Schiw'a nicht hier statt?« fragte sie neugierig mit einem übertriebenen Neigen des Kopfes.
    Michael murmelte ein paar undeutliche Silben. »Wir tun unser Bestes«, sagte er schließlich. »Wir wollten das ganze Durcheinander hier vermeiden, ihre Brüder sind sehr ...«
    »Ja, ich kann es mir vorstellen«, sagte die Schwester in ei nem Ton, der nach Ehrfurcht klang. Also, beruhigte er sich selbst, wichtige Persönlichkeiten beeindrucken sie. Aber sein Körper wurde nicht ruhig, seine Knie zitterten.
    »Ich werde Ihnen die Wahrheit sagen«, kündigte die Schwester an und brachte damit seinen Atem zum Stocken. »Ich bin nicht offiziell hier. Wir haben im Büro nur gedacht, ihr braucht vielleicht Unterstützung.« Sie sah sich um. »Eine Beratung oder so etwas. In ein, zwei Tagen kommt auch die Leiterin der Fürsorge, sie ist es, die die Entscheidung treffen wird. Und wie geht es Frau van Gelden? Wir könnten ihr einen Psychologen schicken, falls die Polizei das nicht übernimmt ...«
    »Es geht ihr ganz gut«, sagte Michael. »Sie spielt sogar wieder Cello. Alles geht seinen normalen Gang«, sagte er und erschrak vor sich selbst. »Relativ normal«, beeilte er sich hinzuzufügen. »Natürlich ist es sehr schwer für sie. Die Polizei wird ihr sicherlich psychologischen Beistand anbieten. Sie ist schon darauf angesprochen worden.« Er heftete den Blick auf die Lampe. Wer konnte schon wissen, wie schwer es ihr fallen mußte, das Gesicht zu wahren und keinen Anlaß zu bieten, daß man das Baby fortnahm. Er legte Ido auf den Teppich und hob die Kleine auf den Arm.
    »Wir dachten, wenn es euch im Moment schwerfällt, wenn ihr sie vielleicht lieber abgeben würdet ...«
    »Auf gar keinen Fall!« rief Michael alarmiert. »Sehen Sie«, sagte er und packte Schwester Nechamas Arm, »für uns ist sie ein Trost. Sie ist eine große Freude, eine richtige Hilfe, wir würden zusammenbrechen, wenn man sie uns jetzt wegnähme.« Er sah in ihre Augen, die sich zu zwei Schlitzen verengten. »Das würde uns den Rest geben, vor allem Nita. Ich weiß, daß Sie mich verstehen, ich spüre, daß Sie mit uns fühlen«, sagte er. Er schlug einen verzweifelten Ton an und ließ seinen Blick in das öde Hellgrün ihrer Augen tauchen.
    Schwester Nechama riß die Augen auf. »Es freut mich, daß Sie es so sehen«, sagte sie und machte mit aufgerichtetem Rücken Anstalten, geschmeichelt den Raum zu verlas sen. »Es stimmt, ich mag euch und den ganzen Fall. Ich habe doch versprochen, daß es in Ordnung gehen wird. Nur hängt es nicht von mir ab. Die Leiterin kommt in zwei Tagen. Die Kleine ist wirklich sehr süß. Es wird nicht schwierig sein ...«
    »Aber wir hängen an ihr, wir wollen uns um sie kümmern«, bettelte er und spürte, wie sein Gesicht glühte.
    »Wir hoffen das Beste«, murmelte Schwester Nechama, »wie man so sagt, ich hoffe, die Dinge regeln sich von selbst«, faßte sie zusammen, als sie sich der Tür zuwandte. »Wir bleiben in Kontakt«, versprach sie wie zur Beruhigung. Sie schob die Gurte ihrer Schultertasche zurecht und verzog die Lippen zu einem professionellen Lächeln, freundlich und unantastbar.
    Das hast du verdient, sagte er sich tonlos, als er Ido an zog und ihn in die Wippe setzte. Das hast du verdient, sagte er noch mal, als er Noa für einen Ausgang anzog. Wenn man etwas so sehr möchte, irgend etwas, wird man zu einer Beute für jedermann. Er war Freiwild. Balilati und Schwester Nechama waren erst der Anfang. Was willst du eigentlich? »Was willst du eigentlich?« brummte er in Richtung der Kleinen, als er die Druckknöpfe des bläulichen Strampelanzugs schloß. Sie sah ihn mit großem Ernst an, mit ihren Augen, die in den letzten Tagen größer und dunkler geworden zu sein schienen. Nun wiesen sie eine bräunlichblaue Tönung auf. Sie lächelte. Es war nicht das willkürliche Verziehen der Lippen, das er in der vergangenen Woche bemerkt hatte, sondern ein echtes Lächeln, das die Kiefer bloßlegte und die Augen überflutete, die nicht von ihm abließen.
    Eine Sekunde verging, bis er sagte: »Du lächelst mich an. Du kennst mich schon.« Seine Augen wurden feucht, als er ihr

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