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Ochajon 04 - Das Lied der Koenige

Ochajon 04 - Das Lied der Koenige

Titel: Ochajon 04 - Das Lied der Koenige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Batya Gur
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Schnitt. Sie sind kaum einen halben Meter lang. Auch die Bratschensaiten sind nicht lang genug.«
    »Was bleibt dann noch übrig?« fragte Michael und zündete endlich die Zigarette an, die er seit ein paar Minuten in den Fingern hielt.
    »Ein Cello oder ein Kontrabaß. Eine Kontrabaßsaite ist allerdings zu dick für solch einen Schnitt. Wenn überhaupt, paßt das Cello am besten, was die Länge und die Dicke anbelangt.«
    »Wenn überhaupt, was?«
    »Wenn es überhaupt eine Saite war. Wir werden es erst mit Bestimmtheit sagen können, wenn wir eine Saite gefunden haben, auf der wir Spuren feststellen.«
    »Ein Cello?« fragte Zila mit Nachdruck.
    »Wenn überhaupt – wenn überhaupt, war es die Saite eines Cellos«, sagte Solomon.
    »Da hast du es!« sagte Zila vorwurfsvoll. »Siehst du nun, was ich meine? Hast du es vernommen?« sagte sie und breitete ihre Arme vor Michael aus. »Ein Cello! Wie wirst du damit umgehen?«
    Er warf ihr einen strengen Blick zu. »Arbeitest du nun mit mir zusammen, oder nicht?« forderte er sie auf.
    Zila war verdutzt. Nach ein paar Sekunden des Schweigens sagte sie: »Was für eine Frage ist das? Natürlich ...«
    »Dann, bitteschön, worauf wartest du!« Ihr Gesicht nahm einen verlegenen Ausdruck an. »Wir fangen an.« Er versuchte seinen Worten ein wenig die Schärfe zu nehmen. »Wir machen uns jetzt an die Arbeit. Wir vergessen unsere Querelen. Nach all den Jahren kannst du mir ruhig vertrauen. Ein wenig Glauben könntet ihr mir schon schenken. Ich verspreche dir, daß ich mit Schorer darüber reden werde. Ich spiele mit offenen Karten. Aber inzwischen sucht ihr mir Balilati und schickt die hier weg«, sagte er und deutete mit dem Kopf auf die hagere, junge Frau mit dem aufreizenden Blick, den engen Jeans und dem knappen Body. »Ich gehe jetzt in Theo van Geldens Büro.«

6
Der Herr hat mich
rufen lassen
     
     
     
    Theo van Gelden stand über Nita gebeugt, die noch immer zusammengekauert in der gleichen Pose lag. Er schreck te zurück, als die Tür aufging, nachdem Michael nur ein mal kurz geklopft und sich nicht die Zeit genommen hatte, auf eine Antwort zu warten. Theo sah ängstlich zur Tür. »Es ist kein Schlaf«, sagte er und berührte ihren Arm, »eher eine Art Koma, sie bewegt sich überhaupt nicht. Ich weiß nicht ...«
    »Es hat keinen Sinn«, sagte Michael, nachdem er nach ihrem Handgelenk gegriffen und den Puls gefühlt hatte, der immer noch flach war. »Die Ärztin hat von mehreren Stunden gesprochen, und es gibt keinen Grund, weshalb sie vorher wach werden sollte. Was wollten Sie von ihr?«
    »Ich dachte, ich bringe sie hier weg«, sagte Theo und kaute auf seiner Unterlippe. Sein weißes Haar betonte die gelbliche Schattierung, die jetzt auf seinem Gesicht lag. Er setzte die Brille ab und öffnete seine wohlgeformten Lippen: »Ich ... ich ertrage es nicht, hier stundenlang eingesperrt zu sein. Ich habe schreckliche Kopfschmerzen, und fürchterliche Gedanken quälen mich. Ich wollte ... Ich kann sie hier doch nicht allein lassen.« Er sah Michael an, als warte er auf die Erlaubnis zum Aufbruch. Aber Michael schüttelte nur den Kopf. »Wir werden Sie bald nach Hause bringen. Inzwischen werden Sie hier bei ihr warten.«
    Theo nickte. Sein Gesicht nahm den Ausdruck betonter Fügsamkeit an. Er sah Michael an, nickte wieder, ließ den Blick nicht von ihm ab, als erwarte er für seinen Gehorsam ein Lob. Schließlich setzte er die Brille wieder auf, stopfte die Hände in die Taschen und begann in den gleichmäßigen Schritten, die Michael schon nach dem Tod Felix van Geldens kennengelernt hatte, auf und ab zu marschieren. Ein paarmal schritt er den Raum ab, hielt neben dem Sofa an, rieb sich die Wange, als kratzte er seine Handflächen an den mehrere Tage alten Borsten. Dann wischte er sich über die Stirn. Seine Finger hielten bei einem kleinen Pickel in der Mitte des Kinns an und machten sich an der Kruste zu schaffen, als er sagte: »Ich muß Bescheid geben ... stor nieren ... ich weiß nicht, was alles ... Japan, das Konzert mit Gabi für übermorgen ... das Doppelkonzert von Brahms ...« Wieder sah er Michael erwartungsvoll an. »Sie müssen mich für einen Unmenschen halten«, sagte er, »aber ich kann die Gedanken an diese Dinge nicht von mir weisen. Ich verstehe selbst nicht, wie ich in dieser Situation an derartige Dinge denken kann«, entschuldigte er sich, »aber ich kann nichts für meine Gedanken«, verkündete er und hob seine Hände wie zur Verteidigung.

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