Ochajon 05 - Denn die Seele ist in deiner Hand
Frauengeschichten. Ich erinnere mich, wie du geheiratet hast. Sie wollte, und du hast geheiratet.«
»Woher weißt du das?«, wunderte er sich.
»Man hat’s mir erzählt, jemand hat es mir erzählt«, erwiderte Ada und schürzte ihre Unterlippe, eine Geste, die den kindlichen Ausdruck betonte, der auf dem Gesicht jeder anderen Frau ihres Alters vielleicht lächerlich gewirkt hätte, zu diesem kleinen Gesicht jedoch, mit der Stupsnase und sogar mit der Furche zwischen den Brauen, passte. »Ich habe mich erkundigt. Und abgesehen davon habe ich das auch aus dem geschlossen, was du mir gestern erzählt hast. Manchmal verstehe ich auch das, was mir nicht ausdrücklich gesagt wird.«
Anstatt zu fragen, wer ihr das erzählt hatte, zog er sie an sich. »Möchtest du jetzt also, dass ich dich für die ganze Zeit entschädige, in der du angeblich an mir interessiert warst und ich angeblich nicht an dir?«
»Auch. Aber im Moment möchte ich eigentlich, dass du mir erklärst, wie das ... wie das so ... so ...«
»Gut?«
»Auch, ja, aber das verstehe ich, aber wie es so ... so stimmen kann, genau, das ist das Wort dafür.«
»Vertrauen«, antwortete er spontan, selbst erstaunt über die ses Wort, das ihm so ohne weitere Überlegung entschlüpft war. »Und verlange nicht von mir, das zu erklären«, setzte er hinzu, »denn ich habe keine Erklärung dafür, ich spüre es nur, von dir zu mir und von mir zu dir.«
»Vertrauen«, sie klang wieder beleidigt, »was ist das hier, Freundschaft? Arbeitskontakt? Und was ist mit Leidenschaft? Und was mit ... mit Verliebtsein?«
»Das ist doch dasselbe«, erwiderte Michael hastig, »was mich angeht, wenigstens, aber auch dich betreffend.« Er hoffte, dass sie verstand, was er meinte. Er hoffte, dass es ihm gelungen war, in aller Kürze auszudrücken, dass jeder von ihnen alle möglichen Erfahrungen gemacht und sich verbrannt hatte, dass sie beide heute in einer Position waren, in der es keiner Spielchen von Liebe und Verliebtsein mehr bedurfte. Und da sie sich in ihrer Jug end schon gekannt und einander berührt hatten, noch bevor sie etwas über die Natur des Lebens und seine verschlungenen Pfade wussten, gerade deshalb konnte zwischen ihnen eine solche Intimität entstehen, die zwischen ganz Fremden nicht möglich gewesen wäre.
»Was ist das Gleiche?«, fragte Ada mit einer Verwunderung, in der Protest anklang, »Vertrauen und Verliebtsein soll das Gleiche sein?! Wieso das denn, das sind zwei völlig entgegengesetzte Dinge! Wenn man sich verliebt, dann ... das ist Sex, das ist generell Krieg, da gibt es überhaupt kein Vertrauen. Wenn man sich verliebt, ist einem die ganze Zeit bang zumute, aber ich ... ich habe jetzt keine Angst, auf alle Fälle nicht davor, ich weiß, dass du mir nichts Böses willst und dass das keine Spielchen sind – und das ist also deine Art von Verliebtsein?«
»Ich weiß nicht, wenn du als Verliebtsein das bezeichnest, was sich zwischen diesem Herrn mit dem schwarzen Hut und jener Dame, der mit der schwarzen Unterwäsche, abspielt, dann steht das vielleicht im Widerspruch dazu, denn sie ... sie suchen überhaupt etwas ganz anderes ...«
»Ja?«, fragte sie in siegesgewissem, fast drohendem Ton, »erklär mir doch mal, was sie suchen?«
»Die?«, Michael winkte ab. Vollkommen aufrichtig und ohne zu zögern offenbarte er ihr dann ein paar seiner Gedanken dazu, die sich im Laufe der Jahre, in denen er Frauen näher kennen gelernt hatte, herauskristallisiert hatten: »Sie suchen Gefühlsbewe gungen von der Sorte ... Emotionen in Technicolor, sie haben überhaupt kein echtes Interesse aneinander, sie verlieben sich in die Geschichte, in das, was ihnen passiert, in die Spiegelung des einen im anderen. Sie haben nur Interesse an der Sensation, am Krieg, am Siegen, daran, den Partner in die Tasche zu stecken.«
»Während wir dagegen?« Sie legte sich auf die Seite, ihre dunklen Augen erwartungsvoll geweitet.
»Während wir ...« Für einen Augenblick fiel es ihm schwer zu sprechen. Wenn ihr entging, was er ihr jetzt sagen würde, dann war sie vielleicht nicht die, die er dachte, dass sie sei. »Wir sehen einander in Wahrheit. Wir, du wie ich, haben etwas anderes gefunden, von dem schönen Teil unserer selbst, das, was noch nicht kaputtgegangen ist. Ich in dir und du in mir.«
Obwohl das offensichtlich ihren Unwillen hervorrief, war er erleichtert, als er sie halb grollend sagen hörte: »Ich habe dir noch nicht gesagt, dass ich ... ich habe noch gar
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