Ochajon 05 - Denn die Seele ist in deiner Hand
könnten wir vielleicht wieder auf das Thema zurückkommen?
»Wo waren wir stehen geblieben? Ah ja, sie bringt also den Kaffee, seine Frau«, Balilati fuhr sich mit der Zunge über die Unterlippe, »und ich trinke ihn so vor mich hin – auch der einfach unschlagbar, in alten Tassen, feinstes Porzellan, mit Henkel, von einem guten Service, hat man gesehen, und mit dieser Sahne und diesem Kuchen, und ich schau mich um – ein Haus haben die! Einen Palast! Und guten Geschmack, ich sag’s dir, echte Klasse, alles am richtigen Platz und sauber wie ... persische Teppiche, Öl bilder, Plastiken und alles Mögliche ... und der Herr ist in Bedrängnis, und wie! Seine Hand mit der Tasse zittert wie im Kino, wie von so einem, der gleich erwischt wird, und er schaut seine Frau an ... und ich? Ich trink meinen Kaffee und ess den Kuchen, als ob gar nichts wär, rede über die Wohnung in der Rakevet straße, als sei das einfach irgendeine Wohnung, und ich sehe, dass seine Frau von überhaupt nichts weiß. Ich sage zu ihm, wir haben es überprüft, und die Wohnung stand wirklich, so wie er gesagt hat, zum Verkauf, aber nicht von einem Konkursverwalter. Die ser Avital, der Besitzer, ja?, der französische Schmuckhändler, von dem es heißt, dass er in Schwierigkeiten ist – gebe Gott, ich hätte solche Schwierigkeiten –, nun, der hat nämlich irgendwie Pleite gemacht und die Wohnung zu einem Spottpreis verkauft. ›Selbst wenn sie ein Schnäppchen ist‹, sage ich zum Rosenstein, als wäre seine Frau überhaupt nicht vorhanden, ›muss man nicht jedes Schnäppchen nehmen, das überzeugt uns nicht‹, sag ich zu ihm, ›dass irgendein Konkurrenzkampf mit einem anderen Rechtsanwalt ein ernsthafter Grund sein soll, eine Wohnung auf Zohras Namen eintragen zu lassen.‹ Und seine Frau gibt keinen Ton von sich, keinen einzigen, schaut ihn bloß so an« – Balilati neigte seinen Kopf zur Veranschaulichung –, »und sie hört also so zu, stumm, ihre Hand zittert überhaupt nicht und auch sonst nichts, völlig ruhig ist sie. Eine solche Frau, jetzt ist sie ja schon alt, aber man sieht ihr immer noch an, wie schön sie war. Marke Grace Kelly, erinnerst du dich an Grace Kelly? Nach deinem Geschmack, oder nicht? Heißt, eine Prinzessin, aristokratisch irgendwie.«
Michael nickte geistesabwesend und lauschte wieder den Stimmen der Suchtrupps, die das ganze Viertel durchkämmten. Schon seit Stunden war die Suche am Laufen und hatte immer noch nichts ergeben. Rechts von ihm, in einiger Entfernung, waren gedämpfte Rufe zu hören, vielleicht riefen sie den Namen des Mädchens.
»Aber da ist noch was anderes ...«, fuhr Balilati fort, zog einen Zahnstocher aus seiner Hemdbrusttasche und stocherte damit in seinen Zähnen herum. »Ich schau mich um«, nahm er dann den Faden wieder auf, im Flüsterton, warf den Zahnstocher weg und rieb seine Hände aneinander ab, »da gibt es so ein Marmorteil auf der Heizung, so eine Art Ablage, und da stehen Fotos. Ich geh also hin, und da sagt Frau Rosenstein zu mir: ›Das ist unsere Tochter, und das ist ihr Mann, und das hier sind die Enkel‹ und das Ganze, aber ich schaue, und da sind Bilder von ihr, von dieser Tochter nämlich, als sie ein kleines Mädchen war, und Fotos als junges Mädchen und von der Hochzeit und von ...«
Michael horchte auf.
»Da sagst du dir«, setzte Balilati erneut an, »wie kommt es, dass zwei solche eleganten Polen, bei denen alles tipptopp ist, plötzlich so eine zustande bringen. Und auch die Enkel schauen so aus. Die Mutter blond und blauäugig, und auch der Rosen stein schaut völlig aschkenasisch aus, wie hat da also eine wie die rauskommen können?«
»Was? Was meinst du damit?«, fragte Michael bestürzt. Vielleicht wegen seines gerade vorher verfolgten Gedankengangs, was die Berührungspunkte zwischen den Menschen, die an die ser Affäre beteiligt waren, anging, ergriff ihn nun ein Gefühl der Furcht, wie vor einem Unglück.
»Was ich damit sagen will, ist«, erklärte Balilati vollkommen ernst, »dass man bei der Tochter der Rosensteins unbedingt nachprüfen muss, ob sie adoptiert ist oder so was, das kann nicht die eigene Tochter von einem alten polnischen Ehepaar sein. Hast du verstanden, was ich meine?«
»Aber darüber hast du nicht mit ihnen gesprochen?«, fragte Michael, während er versuchte, sich die Einzelheiten des Gesprächs mit der Familie Baschari zu vergegenwärtigen.
»Darüber nicht, nein«, räumte Balilati ein, »das sage ich jetzt bloß dir,
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