Odyssey 01 - In die Dunkelheit
über große Entfernungen hinweg.« Palin wünschte, der Captain hätte ihm gesagt, wie viel er ihr verraten durfte.
»Odissee? Das Wort kenne ich nicht.«
»Es bedeutet so etwas wie ›Schicksalsfahrt‹ – scheint ganz gut zur Mission des Schiffes zu passen.«
Milla lachte schallend. »Aus meiner Sicht ist das eindeutig eine Schicksalsfahrt.«
Er rekapitulierte, was sie soeben gesagt hatte und vor allem, wie sie es gesagt hatte. Das Entscheidende ist die Modulation. Er sprang vom Tisch auf und eilte zum Wandterminal.
»Computer, die Übersetzungsmatrix so erweitern, dass sie neben den romanischen Sprachen auch die Modulationen der asiatischen Sprachen umfasst.« Palins Finger huschten über die winzige Tastatur.
»Verstanden. Übersetzungsalgorithmen werden entsprechend erweitert. Geschätzte Zeit dafür beträgt fünf Minuten und siebenundzwanzig Sekunden.«
Als Palin sich zu Milla umdrehte, sah er zu seiner Verblüffung, dass sie seinen hastigen Bewegungen geradezu ängstlich auswich. »Alles ist gut, meine Liebe, kein Grund zur Aufregung.« Seine ruhige Stimme nahm Milla die Angst, sodass sie das Gespräch fortsetzen konnten.
In den folgenden fünf Minuten konzentrierte sich Palin darauf, Milla wieder in den gelassenen Gemütszustand von vor der Unterbrechung zu versetzen. Als der Rechner die Vollendung seiner Operationen meldete, ließ er sich das ergänzte Programm auf sein Headset übertragen.
»Verstehen Sie mich jetzt besser?«
Millas strahlte – offenbar begriff sie jetzt jedes Wort –, doch gleich darauf drückte es große Verwirrung aus. »Ja! Aber … wie … ist das möglich?«
»Es war ganz einfach, meine Liebe. In Ihrer Sprache benutzen Sie verschiedene Klangfarben der Stimme dazu, ein und demselben Wort unterschiedliche Bedeutungen zu geben. Ich habe dem Computer befohlen, diese Besonderheit in den Entschlüsselungsprozess mit aufzunehmen. Danach ist er einfach alles, was wir in den vergangenen Stunden gesagt haben, noch einmal durchgegangen und hat das Programm neu kompiliert.«
Milla lächelte über den Stolz, der in Palins Stimme mitschwang. Er war nicht der Typ, der sein Licht unter den Scheffel stellte. Aber er hatte ja wohl auch das Recht, stolz auf sich zu sein. Eine fremde Sprache in nicht einmal acht Stunden zu entschlüsseln war eine bemerkenswerte Leistung – selbst wenn der Computer dabei geholfen hatte. Milla fand diese Menschen zwar immer noch beunruhigend, aber sie jagten ihr nicht mehr so große Angst ein wie anfangs. Zumindest waren sie keine Drasins , das war ihr sofort klar gewesen, als Palin und Rame den Raum betreten hatten. Trotz der Vermummung der beiden hatte sie gleich erkannt, dass es Menschen waren, genau wie sie selbst. Sie hatte sich kurz gefragt, von welcher Kolonie sie stammen mochten, hatte diese Möglichkeit jedoch gleich wieder verworfen, denn kein Bewohner der Kolonien hätte es für nötig gehalten, Gesicht und Körper vor ihr zu verbergen. Also zählten sie zu den Anderen . Ein schöner Gedanke, der ihr gleichzeitig auch Angst machte. Wenn diese Leute zu den Anderen gehörten, würde ihr Volk endlich Unterstützung bekommen. Aber wer waren sie? Seit hundert Jahren war nirgendwo ein Volk aufgetaucht, das durch verschiedene Raumdimensionen reisen konnte – und ohne diese Technologie war es doch unmöglich, so weit zu den Sternen vorzudringen!
»Wie fühlen Sie sich, meine Liebe?« Das Visier, das sich über sie beugte, riss Milla aus ihren Gedanken.
»Mir geht es gut, Docteur. Ich überdenke nur gerade meine … Lage.«
»Na ja, das ist ja auch verständlich. Jetzt muss ich dem Captain Bericht erstatten, aber ich bin so bald wie möglich wieder bei Ihnen. Versuchen Sie, sich in der Zwischenzeit ein bisschen auszuruhen.«
Milla sah zu, wie der Doktor in die unförmige Luftschleuse trat. »Ja, das werde ich machen, Docteur Palin«, rief sie ihm nach.
Eine Luftschleuse … Unglaublich. Sicher bin ich in irgendeiner medizinischen Einrichtung. Aber wieso gibt es hier dann eine Luftschleuse? In allen Kolonien wurden die Luftschleusen doch schon vor Jahrhunderten durch Energiefelder ersetzt.
Milla stand auf, untersuchte den Raum nochmals und widmete sich dabei besonders dem Terminal, das Palin aktiviert hatte, um das Übersetzungsprogramm zu erweitern. Eine uralte Luftschleuse, aber Computersysteme, die weit über alles hinausgehen, was ich je gesehen habe. Wie haben die’s geschafft, ein stimmengesteuertes Interface zu entwickeln? Und wie
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