Odyssey 01 - In die Dunkelheit
hinein.«
Milla hatte sich zurückgelehnt und lauschte einer Komposition, die nach Angaben des Computers »Walkürenritt« hieß. Trotz ihres stark eingeschränkten Zugangs zum Unterhaltungsarchiv hatte sie mehrere Musikstücke gefunden, die ihr gefielen.
»Milla?«
Sie sprang auf und machte große Augen, als sie zwei Männer ohne die unförmigen Schutzanzüge in den Raum treten sah. Sind das dieselben Männer wie beim letzten Mal?
»Ich sollte mich wohl nochmals vorstellen. Ich bin Doktor Palin, und das hier ist der Captain der Odyssey , Eric Weston.«
Der Captain. Dann wird’s diesmal wohl ernster als bei der letzten Sitzung. Hoffentlich kann ich dabei die Befürchtungen des Captains ausräumen, damit ich bald wieder meinen Dienst antreten kann. Milla musterte den Mann eingehend. Er war groß, größer als die meisten Menschen, die sie kannte, wenn auch nicht der Größte, den sie je gesehen hatte. Sie war früher einmal dem Befehlshaber der kolonialen Bodentruppen begegnet, und jener Mann hätte selbst Captain Weston überragt. Milla beließ es dabei und konzentrierte sich auf das sonstige Erscheinungsbild des Captains. Sein kurz geschnittenes schwarzes Haar lag eng am Schädel, das Gesicht wirkte streng. Sie merkte, dass er sie seinerseits musterte. Einen Augenblick lang war ihr nicht wohl dabei, doch sie gewann ihre Selbstsicherheit schnell zurück.
»Capitaine Weston«, sie nickte ihm respektvoll zu.
»Ithan Chans«, erwiderte er die Begrüßung und nickte gleichfalls.
»Ich fühle mich sehr geehrt, dass Sie mich mit meinem Titel ansprechen, Capitaine. Doktor Palin redet mich immer nur mit ›meine Liebe‹ an. Was laut Computer ein Kosename ist.« Milla lächelte leicht verwirrt. Um Weston zuvorzukommen, versuchte sich Palin sofort zu rechtfertigen. »Tatsächlich wird die Anrede ›meine Liebe‹ unterschiedlich gebraucht. In diesem Fall habe ich sie jeweils als Ausdruck respektvoller Zuneigung verwendet – wie sie beispielsweise ältere Leute jüngeren Menschen entgegenbringen.«
»Verstehe.« Milla warf Palin, der rot geworden war, einen belustigten Blick zu.
»Milla, könnten Sie uns bitte erzählen, was dem Schiff, auf dem Sie Passagier waren, zugestoßen ist?«, fragte Weston.
Als sie ihn nochmals musterte, musste sie feststellen, dass sie nicht durch seine stoische Fassade dringen konnte. Sie entschied sich dafür, einfach bei der Wahrheit zu bleiben.
»Ich war kein Passagier. Ich war auf dem Raumschiff Carlache stationiert. Es wurde angegriffen.«
»Das haben wir uns bereits gedacht. Könnten Sie uns sagen, wer Sie angegriffen hat und wieso Ihre Flotte in Stücke zerrissen wurde?«
Milla zuckte zusammen. Ihr war klar gewesen, dass wohl kaum jemand das Massaker überlebt haben konnte. Dennoch tat ihr die Vorstellung weh, dass ihre Kameraden jetzt tot in den unwirtlichen Tiefen des von Strahlung verseuchten Raums trieben.
»Man nennt sie Drasins , und sie greifen uns an, weil das in ihrer Natur liegt. Töten ist ihr Daseinszweck; sie wurden dafür geschaffen und sind sehr gut darin.«
Dr. Palin blickte zum Captain hinüber, dessen Miene zu einer harten Maske erstarrt war. Ihm war klar, dass Weston über die Implikationen von Millas Geschichte, wenn sie denn stimmte, eingehend nachdachte. Palin schauderte es ja selbst beim Gedanken an eine Spezies geborener Killer, die durch die Galaxie pirschte – ein Albtraum und Gegenstand von tausend Horrorgeschichten, seit es Science Fiction gab. Die Nachricht, dass eine solche Spezies tatsächlich existierte, würde auf der Erde ein Chaos anrichten.
»Geschaffen? Von wem?«, fragte Weston nach kurzem Schweigen, nahm Platz und sah die junge Frau an.
Während er beobachtete, wie sie die Antwort abwägte, nutzte Weston die Gelegenheit, sie genauer zu mustern. Milla Chans war hübsch, wenn auch nicht unbedingt auf den ersten Blick. Ihre Augen hatten etwas Exotisches, das ihrem Gesicht einen besonderen Reiz verlieh. Sie war zierlich und wog vermutlich nicht viel mehr als fünfzig Kilo. Aber sie war offensichtlich hart im Nehmen, sonst wäre sie immer noch bei Doktor Rame in Behandlung, und das sprach in Westons Augen zunächst einmal für sie. Er starrte sie an, bis sie ihm schließlich antwortete.
»Ich glaube, die Antwort darauf kann ich Ihnen jetzt noch nicht zumuten. Wären Sie darauf vorbereitet, müssten Sie diese Frage gar nicht stellen, Capitaine. Darf ich Sie jetzt meinerseits etwas fragen?«
Weston zögerte einen Moment. Ihre
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