Odyssey 01 - In die Dunkelheit
braunen und roten Flecken gesprenkelt. Sie bewegten sich durch die Überreste der einst stolzen Stadt und zerlegten die Gebäude nach und nach in ihre Einzelteile. Einerseits wirkten sie wie eine Spinnenart, andererseits wie Insekten, nur dass sie sehr viel größer waren, sogar viele hundert Mal so groß. Der Maßstab, der auf der Blickfeldanzeige der Aufklärungsdrohnen eingeblendet war, besagte, dass diese Lebewesen durchschnittlich mehr als anderthalb Meter groß waren, die Spinnenbeine nicht mitgezählt.
Wie Ameisen durchstreiften sie die Stadt und transportierten einzelne Teile der demontierten Gebäude zu unterirdischen Tunneln. Bis auf diese spinnenartigen Geschöpfe war kein Anzeichen von Leben in der Stadt auszumachen. Und bis auf die Gebäude auch kein Anzeichen dafür, dass hier jemals Menschen gelebt hatten.
»Das sind … Drasins«, sagte Milla leise. Sie sprach den Namen wie Drah-Sins aus, mit Betonung auf der ersten Silbe. »Ich hätte … nie gedacht, dass sie sich so schnell vermehren würden.«
»Was sind das für Kreaturen, Ithan?«, flüsterte Weston. »Es liegt auf der Hand, dass nicht sie diese Stadt gebaut haben. Wer also sind sie? Und wer hat die Stadt gebaut?«
»Mein Volk«, erwiderte Milla hilflos. »Das war eine … unserer Siedlungen, in denen Nahrungsmittel erzeugt wurden.«
»Durch Landwirtschaft«, sprang Palin ihr bei.
»Kwah«, sagte Milla und nickte, da das Übersetzungsprogramm dieses Wort noch nicht gespeichert hatte.
»Sie meint ja «, erklärte Palin und gab das neue Fremdwort ein. »Das ist Slang und heißt so viel wie jawoll oder genau .«
»Verstehe. Ithan Chans … Milla … Was ist hier geschehen?«
Milla holte mühsam Luft und starrte auf den Schirm, während sich ihre Augen mit Tränen füllten. Sie schloss sie, als wollte sie die schreckliche Szene aus ihrer Wahrnehmung ausblenden. »Also gut, Capitaine, ich werde Ihnen meine Geschichte erzählen«, sagte sie schließlich mit bebender Stimme. »So gut wie ich kann.«
»Danke, Milla«, erwiderte Weston leise.
Sie holte noch einmal tief Luft und begann.
8
Wochen davor, an Bord des Sternenkreuzers Carlache
» LIEUTENANT CHANS! «
Das Deck der Carlache summte unter Millas Füßen, als sie sich auf der Ferse umdrehte und plötzlich ihrem neuen Ersten Offizier gegenübersah.
»Ja, Commander Rath?«
»Lieutenant, Sie müssen in den nächsten Tagen mit Stavrim und Mailyn zusammenarbeiten. Sie sind auf ihre Sachkompetenz bei den neu installierten Waffensystemen angewiesen.« Beim Wort Waffensysteme zog der Commander ein so finsteres Gesicht, als stießen sie ihm bitter auf.
»Ich setze mich sofort mit den beiden in Verbindung.« Milla konnte seinen Widerwillen nachvollziehen, auch wenn sie ihn nicht teilte. Wieso reagieren alle leitenden Offiziere beleidigt, wenn sie sich gezwungen sehen, ihre Schiffe mit Waffen auszurüsten? Na ja, mit Ausnahme des Captains, doch selbst er mag sie nicht.
Milla ging mit großen Schritten auf die neue Leitstelle zu, um die Besatzungsmitglieder Stavrim und Mailyn zu suchen. In den wenigen Monaten seit dem Tachyonen-Ausbruch an der Grenze, der ihre Zivilisation für immer verändert hatte, waren die Vorbereitungen zur Verteidigung gut vorangekommen.
Der Vorfall kam ihr immer noch wie ein übler Traum vor. Die übermittelten Signale hatten überhaupt keine Informationen enthalten, nicht einmal die einfachste Modulation. Die ganze Geschichte war nichts anderes als eine Art Drohgebärde gewesen. Eine Warnung oder ein Alarm, ausgeschickt von einem System, das so uralt war, dass niemand auch nur von seiner Existenz gewusst hatte. Bis das zentrale Weltengehirn angefangen hatte, die seltsamsten Anweisungen herauszugeben.
Zunächst hatte niemand diese Anweisungen infrage gestellt, obwohl sie dem Weltengehirn gar nicht ähnlich sahen. Der Transport der produzierten Güter hatte sich verlangsamt, während die uralte Datenbank neue Pläne ausgespuckt hatte. Pläne, die seit Jahrhunderten kein Schiff hatte berücksichtigen müssen. Denn diese Pläne beinhalteten ihre Bewaffnung.
Milla schüttelte den Kopf, um ihn wieder klar zu bekommen, während sie sich in der Leitstelle umsah.
»Ah, Lieutenant. Wir haben einige Probleme mit dem Zielerfassungssystem, das vor kurzem installiert wurde.«
Milla runzelte die Stirn. »Haben Sie versucht, die Software zu reintegrieren? All diese Schaltkreise hätte man vor der Installation dreifach überprüfen müssen.«
Stavrim hatte den Anstand,
Weitere Kostenlose Bücher